Die intensive Nutzung der heutigen Kulturlandschaft bedeutet für viele Tier- und Pflanzenarten den Verlust von Lebensräumen. Natürliche Habitate werden durch Infrastrukturen wie Siedlungen oder Verkehrswege zerschnitten. Wanderkorridore von Wildtieren werden unterbrochen oder verschwinden ganz. Die Folge: Es entstehen voneinander isolierte Wildtierpopulationen.
Der Austausch zwischen Teilpopulationen ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt der genetischen Vielfalt und die Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Umweltbedingungen und auch Krankheiten. Deshalb sind Maßnahmen zur Lebensraumvernetzung ganz entscheidend für den Erhalt der biologischen Vielfalt.
Das Beispiel Rotwild – eine Tierart mit weiträumigem Platzanspruch – zeigt deutlich, wie wichtig der Austausch zwischen Teilpopulationen ist. Fehlende Wandermöglichkeiten führen zu isolierten Populationen und zur genetischen Verarmung. Der heute schon erhebliche Inzuchtgrad ist auch rein äußerlich bereits sichtbar: In Schleswig-Holstein, Hessen und Baden-Württemberg wurden Unterkieferverkürzungen nachgewiesen.
Auf dem ersten „Zukunftsforum Rotwild“ im April 2023 in Neumünster – eine Veranstaltung vom Landesjagdverband Schleswig-Holstein in Kooperation mit dem Deutschen Jagdverband – diskutierten 150 Expertinnen und Experten über Rotwildmanagement, Genfluss und Monitoring. In einer gemeinsamen Resolution fordern beide Jagdverbände unter anderem einen landesweiten Rotwildwegeplan.
Behördlich verordnete, rotwildfreie Gebiete mit einem Abschussgebot bilden zusätzliche Barrieren für den genetischen Austausch. Betroffen sind davon unter anderem mittelalte Hirsche, die durch ihre Wanderbewegung zwischen verschiedenen Populationen eigentlich für den genetischen Austausch sorgen würden.