Buchrezension: Ich esse, also jage ich
Anfangs führt der langjährige Vegetarier Fabian Grimm ein Studentenleben im Herzen Berlins. Er studiert Grafikdesign, seine Freundin Lydia Forstwirtschaft. Initiiert durch seine Freundin beginnen beide sich mit Wald, Wildtieren und der Jagd zu beschäftigen. Nachdem anfängliche Zweifel überwunden sind, entscheiden sich die beiden für eine Anmeldung an einer Jagdschule, um die Jägerprüfung abzulegen. "Ich esse, also jage ich" erzählt von Problemen, Erfahrungen und Missverständnissen, die auf dem Weg in die völlig unbekannte Welt der Jagd entstehen.
Einfach zu lesen und sehr lebhaft beschrieben
Das Buch von Fabian Grimm gibt einen nachvollziehbaren Einblick in die Lebenslage eines Jungjägers ohne jagdliches Umfeld. Auch wenn Fabian Grimm seine Beweggründe vegetarisch zu leben, reflektiert und offen darstellt, spielen diese eher eine Nebenrolle. Aussagekräftiger ist seine Entwicklung und die einhergehenden Zweifel und Ängste, beeindruckend seine Konsequenz und Selbstreflektion. So bemerkt er beim Aufenthalt auf einer konventionellen Schaffarm in Schottland, dass seine Vorstellung von konventioneller Landwirtschaft und die Wirklichkeit nicht einhergehen und revidiert seine Haltung. Als er sich anschließend in Deutschland mit den Kriterien verschiedener Biosiegel auseinandersetzt, fällt ihm auf, dass er nur vollumfänglich einen Unterschied machen kann, wenn er sich selbst mit Fleisch versorgt - eben als Jäger oder Subsistenztierhalter.
Macht Jagen Spaß?
Macht Fabian Grimm das Jagen Spaß? "So einfach ist das nicht", schreibt er und versucht damit am Ende seiner Erzählung eins der großen Paradoxe der Jagd einem Nicht-Jäger zu erklären. "Spaß und Jagd, das ist ein schwieriges Thema. Wenn ich dir jetzt sage, dass ich gerne jage, dann klingt das, als ob ich gerne Tiere töte. Aber das ist nicht, auf keinen Fall. Es ist mehr, es ist dieses ganze Lebensgefühl. Es macht Spaß, mich in die Tiere hineinzuversetzen, wo sie sich zu welcher Jahreszeit aufhalten und welchen Einfluss das Wetter auf ihr Verhalten hat. [...] Ein Gefühl, das davon lebt, dass ich auf der einen Seite genau weiß, wo das Fleisch herkommt und wie und wo ich das Reh erlegen konnte, und auf der anderen Seite im Hinterkopf schon überlege wie ich es zubereiten möchte? Stolz? Innere Ruhe? Vorfreude? Keiner dieser Begriffe scheint wirklich zu passen." Immer wieder versucht Grimm hervorzugehen, wie schwer es ist die richtigen Worte und Erklärungen zu finden, um Nicht-Jägern die Jagd zu erklären. Ein anderes Problem das deutlich wird, ist die weitgehende Unzugänglichkeit zur Jagd: Die meisten Jäger sind sehr herzlich und freundlich, doch benötigt es oft Kontakte oder viel Glück um das erste Mal zu einer Jagd eingeladen zu werden.
Gute Unterhaltung und kritische Denkanstöße für jedermann
Für Jagdinteressierte, Jäger oder Menschen, die sich Gedanken darüber machen, welchen Einfluss ihr Lebensmittelkonsum tatsächlich haben kann, ist das Buch nicht nur gute Unterhaltung. Es liefert auch Denkanstöße in viele Richtungen im Themenkomplex Land- und Forstwirtschaft in einer Kulturlandschaft und unserer heutigen Lebensmittelproduktion. Der Weg zur Jagd wird authentisch Schritt für Schritt erklärt: von den anfänglichen Kommunikationsproblemen bis hin zur viel zu kleinen Tiefkühltruhe. Die Ängste und Zweifel sind wohl bei jedem Jäger dieselben. Aber auch für jeden Nicht-Jäger und für alle Jagdkritiker, die nie die Motivation eines Jägers verstehen konnten, ist dieses Buch sehr lesenswert. Ob es das Wohl des Waldes, Naturliebe oder reine Nahrungsbeschaffung ist, Fabian Grimm differenziert deutlich zwischen den unterschiedlichen Beweggründen für die Jagd und spricht sich klar für einen achtsamen Konsum aus, egal ob als Vegetarier oder Jäger.
„Ich esse, also jage ich“ hat 219 Seiten, ist im Ullstein Verlag erschienen und zum Preis von 16,00 Euro erhältlich.