„Der Jäger hat gerechtfertigt gehandelt“
Vergangene Woche hat ein Jäger einen Wolf mit einem Schuss getötet, weil sich dieser auch mit Rufen und Warnschuss nicht davon abhalten ließ, mehrere Jagdhunde zu attackieren. Es kam dabei zu nicht unerheblichen Verletzungen. Der Jagdleiter und Revierinhaber hat umgehend die Polizei gerufen, diese erstattete gegen den Schützen Anzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Inwieweit sich der Jäger auf Notstand berufen kann und wie wahrscheinlich es ist, dass die Staatsanwaltschaft weiter ermittelt, erläutert Anwalt Dr. Heiko Granzin, der den Jäger vertritt, im DJV-Interview.
DJV: Ein Wolf hat bei einer Bewegungsjagd angeblich Jagdhunde attackiert und ließ auch nach Rufen und Warnschuss
nicht ab. Wie hat sich die Situation für den Schützen genau dargestellt?
Dr. Granzin: Der Schütze befand sich südlich von Berlin auf einer Drückjagd. Sein Hochsitz lag an einem Wirtschaftsweg mit Blickrichtung auf einen Altholzbestand und eine dahinter liegende Lichtung. Nach Beginn des Treibens lief ein Wolf in etwa 10 Meter Entfernung am Stand des Schützen vorbei zur Lichtung. Aus einem dahinter liegenden dichten Fichtengebüsch kamen kurz danach Rehe auf die Lichtung. Der Wolf reagierte auf die Rehe und machte kehrt. Etwa 100 Meter vom Schützen entfernt stieß er auf der Lichtung auf die Fährte der Jagdhunde, die den Rehen gefolgt waren. Der Wolf stellte die Jagdhunde unmittelbar und versuchte sofort, sich in einem zu verbeißen. Der Schütze versuchte durch Schreien und Rudern mit den Armen den Wolf zu vertreiben. Schließlich feuerte er einen Warnschuss ab. Als dem Schützen klar wurde, dass der angefallene Jagdhund in Kürze vom Wolf getötet werden würde, gab er einen gezielten tödlichen Schuss auf den Wolf ab.
Gab es Zeugen für den Vorfall?
Das gesamte Geschehen war für den Jäger auf dem Nachbarstand einsehbar. Dieser hatte bereits die erste Annäherung des Wolfes bemerkt und die Situation durchgehend mit seinem Fernglas beobachtet. Der Schütze meldete die Erlegung des Wolfes der Jagdleitung, die den Wolfsbeauftragten und die Polizei hinzuzog. Der Zeuge bestätigte später auch gegenüber der Polizei die Darstellung des Sachverhaltes durch den Schützen.
Wie geht es dem Schützen damit und wie geht es den betroffenen Hunden?
Der Schütze empfindet die Situation – insbesondere das große öffentliche Interesse – als belastend. Er sagt, er hätte es schlichtweg nicht ausgehalten, zusehen zu müssen, wie die Jagdhunde getötet würden. Den betroffenen Hunden geht es vergleichsweise gut. Dank des rechtzeitigen Eingreifens des Jägers ist es bei oberflächlichen Verletzungen geblieben, die aller Voraussicht nach folgenlos ausheilen werden.
Wie beurteilen Sie das Handeln Ihres Mandanten in Hinblick auf eine Notstandslage nach § 34 StGB?
Nach meinem Dafürhalten hat der Mandant eindeutig gerechtfertigt gehandelt. Der Wolf hat die Jagdhunde unmittelbar angegriffen. Ein durchschnittlicher Jagdhund ist einem Wolf physisch weit unterlegen. Der Angriff hätte zweifelsohne schwerste Verletzungen oder den Tod von mindestens einem der eingesetzten Hunde bedeutet. Im Rahmen der Rechtsgüterabwägung, die nach dem Notstandsparagraf vorgenommen werden muss, hat der Schütze eine richtige Abwägung zugunsten des Jagdhundes vorgenommen. Nachdem er aus seiner Sicht alle möglichen Eskalationsstufen durchlaufen hatte, gab es für ihn keine andere Wahl, als zu schießen. Er schützte das Eigentumsrecht am wertvollen, ausgebildeten Jagdhund. Zudem ist der emotionale Wert eines Jagdhundes für den Halter monetär schlichtweg nicht zu beziffern. In vielen Bundesländern haben Halter von Jagdhunden derzeit keinen Anspruch auf Ausgleichszahlungen wie er für Nutztierhalter gilt.
In Schweden gibt es mittlerweile gesetzliche Grundlagen, die einem Jäger erlauben, einen Wolf bereits vor dem eigentlichen
Angriff auf Nutztiere oder Hunde zu töten, wenn er auf Rufe und Warnschüsse nicht reagiert. Was empfehlen Sie dem deutschen Gesetzgeber?
Bereits nach der aktuellen Rechtslage ist eine entsprechende Notstandshandlung dann gerechtfertigt, wenn die Situation „jederzeit in einen Schaden umschlagen“ könnte. Wenn ein Wolf sich durch angemessene Mittel nicht vertreiben lässt, dann ist mit einem Angriff zu rechnen. Wie in Schweden sollten wir ebenfalls klären, wie man nach dem Durchlaufen verschiedener Eskalationsstufen mit einem Wolf umgeht. Zudem muss der hohe Schutzsstatus des Wolfes abgeschwächt werden. Die Tötung eines übergriffigen Wolfes bedürfte dann keiner vorherigen komplexen Rechtsgüterabwägung auf Grundlage des Notstandsparagrafen.
Rechtsanwalt Dr. Heiko Granzin, Jahrgang 1970, ist seit 2001 als Rechtsanwalt zugelassen und trägt seit 2004 den Fachanwaltstitel sowohl im Arbeitsrecht als auch im Strafrecht. Weitere Schwerpunkte seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt liegen im Verkehrsstrafrecht und Verkehrsbußgeldrecht sowie aufgrund seiner eigenen Leidenschaft für die Jagd und das Ländliche im Jagdrecht. |