DJV-Forderungen für einen zukunftsfähigen Waldbau
24. April 2020 (DJV) Berlin
In den Jahren 2018 und 2019 haben Stürme, Dürre, Waldbrände und Borkenkäferbefall 2,3 Prozent der Waldfläche vernichtet. Das bedeutet, dass 245.000 Hektar wiederbewaldet werden müssen – das entspricht etwa der Fläche des Saarlandes. Für Aufforstung, Abtransport von Schadholz und Umbau zu klimaangepassten Mischwäldern stellt die Bundesregierung 480 Millionen Euro für den Zeitraum 2020 bis 2023 bereit. Diese Chance muss genutzt werden, um Wälder zu gestalten, die Lebensraum für Wildtiere bieten, wirtschaftlich nutzbar bleiben und dem Klimawandel trotzen.
Der DJV fordert in diesem Zusammenhang:
- Einen vielfältigen Lebensraum Wald fördern. Die Anlage und Pflege von Waldinnenrändern und -außenrändern mit Kräutern, Sträuchern und Weich-hölzern (Prossholz) müssen staatlich gefördert werden, denn sie dienen der Artenvielfalt und sind Nahrung für Pflanzenfresser. Sie dienen der Artenvielfalt und sind Nahrung für Pflanzenfresser – das hilft, Wildschäden an wirtschaftlich relevanten Baumarten zu vermeiden. Zudem müssen räumlich und zeitlich flexible Areale ausgewiesen werden, in denen beispielsweise im Sinne einer intelligenten Jagdstrategie Nutzung (Forst-. Jagd-. Freizeitnutzung) aus waldbaulichen Erfordernissen heraus eingeschränkt wird. Dem Wild werden damit notwendige Ruhezonen eingeräumt. Anzustreben ist ein vielfältiger Aufbau des Waldes hinsichtlich Baumalter und -arten. Leistungen der Waldbesitzer für die Artenvielfalt müssen in der GAK-Rahmenlinie Förderbereich Forst konkreter beschrieben werden. Der DJV fordert, dass dort neben forstwirtschaftlichen Aspekten künftig die Lebensraumgestaltung mehr Beachtung findet. Arbeit für die Artenvielfalt muss sich lohnen, für den Waldeigentümer müssen attraktive finanzielle Anreize geschaffen werden. So lassen sich ökonomischer Mehrwert für Waldbesitzer und gesellschaftlicher Mehrwert zusammen generieren.
- Wildschäden neu bewerten. Es ist nicht relevant, wie viele Jungbäume in Pflanzungen oder Naturverjüngungen von Reh- und Rotwild geschädigt werden. Baum- und Strauchschicht nutzendes Wild gehört ebenso zum Wald wie andere Pflanzenfresser, etwa Siebenschläfer, Feldhasen oder Mäuse. Für die naturgemäße Waldwirtschaft und den auf biologische Automation setzenden Waldbau ist entscheidend: Wie viele Bäume des Zielbestandes pro Fläche unverbissen bleiben, damit der Wald langfristig erhalten werden kann. Diese Kenngröße muss künftig beachtet werden. Die derzeit gängigen Verbissgutachten messen nur, wie viele Bäume verbissen sind. Dieses Verfahren lehnt der DJV als unzureichend für eine Wildschadensbewertung ab.
- Waldumbau großräumig planen. Naturverjüngungen und Anpflanzungen von Jungbäumen müssen in großen Waldgebieten mit homogener Eigentumsstruktur vorrangig großflächig angelegt sein. In solchen Gebietseinheiten müssen Waldbau und Jagd konsequent zusammen gedacht werden und der Schutz der Verjüngung muss vorrangig durch ein intelligentes Regime von Intervall und Schwerpunktbejagung realisieret werden. In eher kleinen Gebietseinheiten (Kleinprivatwald) mit eher kleinflächiger Verjüngung ist das Risiko von Wildschäden besonders groß – auch bei vergleichbar geringen Wildbeständen. Wenn beispielsweise in Nadelholzreinbeständen (27 Prozent der Waldfläche Deutschlands) Laubbaumarten gepflanzt werden, funktioniert das nur mit Forstschutzmaßnahmen. Grundsätzlich gilt: Beim Umbau altersgleicher Bestände mit wenigen Baumarten zu mehrschichtigen, gemischten Wäldern sind seltene Baumarten selbst bei geringer Wilddichte gefährdet. In solchen Hotspots des Waldumbaus sind Schutzmaßnahmen unerlässlich, Einzelschutz ist immer vorzuziehen. Lebensraum und krautige Nahrung (etwa Brombeere) bleiben so für Pflanzenfresser weiter erhalten.
- Wildökologische Raumplanung nutzen. Der Lebensraum von Wildtieren wie Reh und Rothirsch beschränkt sich nicht auf den Wald (30 Prozent Landesfläche). Felder und Wiesen (50 Prozent der Fläche) werden ebenso genutzt. Um Wildschäden in der Land- und Forstwirtschaft zu minimieren, ist eine ganzheitliche Betrachtung des Lebensraumes der einzelnen Arten nötig. Einen Ansatz dafür bietet die wildökologische Raumplanung. Sie versucht, Nutzungsansprüche von Wildtier und Mensch in Einklang zu bringen. Übergeordnete Planungsbeiräte, beispielsweise auf Basis regionaler Kreisjagdbeiräte, sind notwendig, damit alle Akteure des ländlichen Raumes einbezogen werden. Berücksichtigt werden beispielsweise Nahrungsverfügbarkeit für Wildtiere sowie deren Nutzung von Wald- und Feldhabitaten im Jahresverlauf. Ebenso werden Störungen durch Freizeitdruck (Besucherlenkung) berücksichtigt.
- Schwerpunktbejagung ist sinnvoll. Jagd muss auf Flächen mit Neuanpflanzungen und Verjüngungsflächen intensiviert werden. Hierfür müssen Jagdschneisen bereits beim Aufforsten angelegt werden, ebenso zusätzliche Ansitzeinrichtungen. Letztere sollten über die GAK-Rahmenlinie Förderbereich Forst finanziert werden. Gleichzeitig muss es temporäre Wildruhezonen in Bereichen geben, wo keine Wildschäden auftreten. Es braucht also ein lokales Jagdkonzept, das auf waldbauliche Maßnahmen sowie die Bedürfnisse des Wildes abgestimmt ist. Waldbesitzer und Jäger müssen dieses gemeinsam entwickeln.
- Jagdzeiten nicht verlängern. Im Vergleich zu Nachbarländern hat Deutschland schon heute die längsten Jagdzeiten auf Reh- und Rotwild. Eine weitere Ausdehnung der Jagdzeiten löst nicht den Forst-Jagd-Konflikt. Das zeigen die Erfahrungen aus den vergangenen 30 Jahren. Es geht darum, wildbiologische Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen und die bestehenden Jagdmöglichkeiten auszuschöpfen. Der Tierschutz muss gewahrt bleiben.
- Öffentliche Hand hat Vorbildfunktion. Bund, Länder und Kommunen müssen in ihren Wäldern zeigen, wie sich wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umsetzen lassen. Es ist zu überprüfen, welche jagd- und waldbaulichen Konzepte regional funktionieren. Die pauschale Forderung nach verstärktem Abschuss von Reh- und Rotwild wird diesem Anspruch nicht gerecht.
- Mehr Personal für den Waldumbau. Der Rationalisierungs- und Kostendruck in der Forstwirtschaft hat seit den 1990er Jahren zu einem massiven Stellenabbau in den Forstbetrieben geführt – bis zu 70 Prozent. Maßnahmen zur Kultursicherung und -pflege, die ehemals zur "guten forstlichen Praxis" gehörten, werden heute nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr durchgeführt. Auch hier hat die öffentliche Hand eine Vorbildfunktion, eine Ausbildungsinitiative ist notwendig. Die Aufforstung von 245.000 Hektar Fläche mit etwa 6 Milliarden Bäumen gelingt nur, wenn geschultes Forstpersonal gemeinsam mit Jägern die Jungpflanzen schützt.
- Aus- und Fortbildung stärken. Im Bereich Jagd müssen Aspekte einer waldverträglichen Jagd verstärkt vermittelt werden und dabei neben den ökologischen Zusammenhängen auch die ökonomischen Rahmenbedingungen vermittelt werden, in den sich die Bewirtschaftung des Waldes als volkswirtschaftliche Ressource bewegt. Im Bereich Forst muss ein Fokus künftig auf die Gesamtsicht des Ökosystems Wald und damit auch auf wildverträgliches Wirtschaften gelegt werden. Waldbewirtschaftung und Jagd, Flora und Fauna des Waldes, müssen zusammen und unter Abwägung verschiedener Ansprüche gedacht werden. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse müssen im Rahmen der jeweiligen Aus- und Fortbildung berücksichtigt werden.