"Es sind junge Leute, die hier eine Perspektive bekommen."
Ein USB-Stick aus einer Abwurfstange? Schmuckbänder aus einer Jagdtrophäe? Im seinem Jagdrevier bei Goslar sucht Naturpädagoge Wolfgang Ritzke mit den Jugendlichen der Marie-Juchacz-Schule nicht nur nach Holz als Werkstoff. „Unsere Jungs und Mädels haben zuletzt aus Abwurfstangen vom Rehbock tolle Sachen gebaut. Wir geben nur den Anstoß, die Kreativität und das Engagement kommen von allein“, sagt Ritzke. DJV-Präsident Hartwig Fischer übergab jetzt einen Auto-Anhänger, der für die Schule gestiftet wurde.
Mit seinen Schülerinnen und Schülern ist der 68-jährige Langelsheimer schon seit Jahren bei vielen Lernort-Natur-Aktionen des Deutschen Jagdverbandes (DJV) und der Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) dabei, wie zuletzt auf der Messe "Pferd und Jagd" in Hannover. Vor drei Jahren begann er, zusammen mit der Arbeiterwohlfahrt (AWO), mit dem Aufbau einer Lernort-Natur-Schule in Langelsheim. Die AWO hatte eine leerstehende Werkshalle in Langelsheim bei Goslar erworben und der ehemalige Lehrer an der Berufsbildenden Schule war bereit, die Räume fachgerecht herzurichten. In drei Jahren ist dort eine Förderschule entstanden, die Jugendlichen ohne Schulabschluss neue Perspektiven eröffnet. Sie zeigt auch, was mit jagdlicher Naturpädagogik alles möglich ist, denn Lernort Natur ist ein wichtiger Bestandteil des Aus- und Weiterbildungskonzeptes.
Mit dem Auto-Anhänger wird die Schule nun mit einem weiteren wichtigen Arbeitsmittel unterstützt. „Wir reden immer von Humankapital, ein unschöner Begriff. Es sind junge Leute, die hier eine Perspektive bekommen", sagt Hartwig Fischer. "Die Jugendlichen haben tolle Ideen und entwickeln mit deren Umsetzung auch ein ganz neues Selbstwertgefühl. Sie merken, dass sie gebraucht werden." Das sei der Verdienst von Wolfgang Ritzke und seinem Team. Dort gingen die jungen Menschen nicht verloren. Der Anhänger sei daher auch ein Dankeschön für die geleistete Arbeit.
Das passt, denn viel Material muss häufig transportiert werden, um in den Werkräumen arbeiten zu können. Was die Schülerinnen und Schüler produzieren, kann sich sehen lassen: Tische, Stühle, Regale, Nistkästen, Wandschmuck und viele spezielle Anfertigungen gehören zum Repertoire. Ein Hingucker auf Messen ist ein Boot, gebaut in wochenlanger Kleinarbeit und natürlich einsatztauglich - ein Beispiel der Handwerkskunst. Hochsitze baut Wolfgang Ritzke mit den Jungen und Mädchen ebenfalls. Vor den Werkshallen wachsen in Hochbeeten frische Kräuter und Salate, von der Jagd kommen Wurst und Würstchen. Alles wird selbst verarbeitet. "Wir zeigen, wo die Nahrung herkommt und wie sie verarbeitet wird", erklärt Ritzke. "Die Jugendlichen bekommen dadurch ein neues Verhältnis zu Lebensmitteln."
Das Elfenhaus beispielsweise wird mittlerweile für Kindergeburtstage als Bastelsatz angefragt. Mit den Jugendlichen fertigen Ritzke und sein Team die Holz-Bauteile für ein ökologisches Spielzeug. Denn das Häuschen ist sogleich Unterkunft für Ohrenkneifer. Im Blumenkasten aufgestellt, werden auf diese Weise sogar lästige Blattläuse ferngehalten.