(Quelle: Kauer/DJV)

Fokus Biodiversität: Eckpunktepapier des DJV für die GAP-Reform 2020

7. Mai 2020 (DJV) Berlin

Der Deutsche Jagdverband (DJV) begrüßt die von der EU-Kommission angestrebte Weiterentwicklung und Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020.

Blühstreifen in großen Feldern bieten Äsung, Deckung und sind ökologische Trittsteine.
Blühstreifen in großen Feldern bieten Äsung, Deckung und sind ökologische Trittsteine. (Quelle: Börner/DJV)

Biologische Vielfalt muss künftig ein Produktionsziel der Landwirtschaft werden, damit bedrohte Tier-und Pflanzenarten in der Agrarlandschaft eine Chance haben. Die Bundesregierung ist deshalb in der Pflicht, auf Basis der EU-Pläne einen effektiven nationalen Strategieplan zu entwickeln. Der DJV sieht es als dringend notwendig an, die Förderstrukturen künftig gezielter und auch unbürokratischer auszurichten.

Derzeit werden über 50 Prozent der Ackerfläche Deutschlands (6,8 Mio. Hektar) mit nur noch drei Fruchtarten –Mais, Raps und Weizen –bestellt und intensiv bewirtschaftet. Profiteur ist das anpassungsfähige Wildschwein, das dort in der Vegetationsperiode von Anfang Mai bis in den Oktober nur schwerlich bejagt werden kann. Auf dem Rückzug sind hingegen spezialisierte Arten wie Feldhase, Rebhuhn oder Fasansowie viele weitere auf Agrarlebensräume angewiesene Tier-und Pflanzenarten.

Gemeinwohlleistungen wie Umwelt-und Klimaschutz werden in jüngster Zeit durch den Landwirt auf seinen eigenen Flächen neben den Greeningverpflichtungen auf freiwilliger Basis „nebenbei“ erbracht. Aber auch nur dann, wenn er durch die Maßnahmen finanziell nicht schlechter gestellt ist, als bei einer „normalen“ ackerbaulichen Kultur (Weizen, Raps, Mais usw.). Es müssen für den Landwirt attraktive ökonomische Anreize geschaffen werden, um das Produktionsziel „Artenvielfalt“ in sein jeweiliges Betriebssystem zu integrieren. Dafür ist es notwendig, dass der Landwirt in Hinblick auf Direktzahlungen Planungssicherheit und Rechtssicherheit über die gesamte Laufzeit der Förderperiode hat. Um öffentliche Umweltgüter zu schaffen, muss die EU eine Umweltprämie für bestimmte höherwertige Artenschutzmaßnahmen zusätzlich zur Umverteilungsprämie im System der Direktzahlungen (1. Säule) etablieren.

Die Vorgaben in der aktuell laufenden Förderperiode zur Biodiversitätssteigerung, die mit dem sogenannten Greening erreicht werden sollten, sind nicht zielführend. Leider hat sich bereits nach dem ersten Jahr der Umsetzung gezeigt, dass weder die zuständigen Behörden auf Länder-und Kommunalebene, noch die Landwirte mit den Regelungen zurechtkommen. Die derzeit streng definierten Maßnahmen im Greening und deren Regelungsdichte werden zum einen den Anforderungen der landwirtschaftlichen Praxis nicht gerecht und engen zum anderen den jeweils örtlich notwendigen Handlungsspielraum zur effektiven Verbesserung der Lebensraumsituation für die Feldflurarten unnötig ein. Dazu gehören spezialisierte Insekten ebenso wie Feldhase, Rebhuhn oder Fasan sowie viele weitere auf Agrarlebensräume angewiesene Arten von Flora und Fauna. Der durch das Greening stark erhöhte Bürokratieaufwand einzig zum Zweck der "Kontrollierbarkeit" ist nicht zu rechtfertigen, wenn dabei kein ökologischer Mehrwert erkennbar ist.

Wenn die Politik flächendeckend die Biodiversität in der Agrarlandschaft steigern möchte, muss sie für eine entsprechende Beratung der Landwirte sorgen. Zu beantworten ist dabei die Frage, welche Maßnahmen auf welchen Flächen am effektivsten sind, um individuell festgelegte Biodiversitätsziele zu erreichen. Zu beachten sind die örtlichen Produktionsbedingungen. Es muss eine Abkehr von technischen Details, wie zum Beispiel Flächenschärfe im Agrarantrag, Blühstreifenbreite und -länge, Fristen für Ansaat und Bearbeitung stattfinden. Das Sanktionsrisiko, welches sich derzeit aus fehlerhafter Antragstellung zur Gewährung der Direktzahlungen bei starren Maßnahmenformaten (Greening, Agrarumweltmaßnahmen (AUM)) ergibt, ist entschieden zu hoch. Sinnvolle Maßnahmen werden deshalb in der Praxis nicht umgesetzt.

Momentan sind die Vorgaben des Greenings von jedem einzelnen Betrieb zu erfüllen. Es gibt so gut wie keine Möglichkeit, kommunale Maßnahmenkonzepte oder Kooperationsmodelle auf regionaler Ebene umzusetzen. Um dies zu ändern, muss es möglich sein, Maßnahmen aus erster und zweiter Säule deutlich flexibler zu gestalten und sinnvoller zu kombinieren. Daraus ergeben sich Synergieeffekte. Landkreise müssten die Prozesssteuerung übernehmen und entsprechende staatliche Mittel verwalten. Die Betreuung und Moderation von Maßnahmen könnte durch Fachplanungsbüros erfolgen. Die systematische Implementierung von Maßnahmen in der Praxis erfolgt dann durch landwirtschaftliche Fach- und Förderberatung in Projekt-Arbeitsgruppen. Die Politik muss dafür Möglichkeiten der Finanzierung schaffen. Eine Stärkung der Beratung landwirtschaftlicher Betriebe zusammen mit einer moderierten örtlichen Beratung tragen zum Erreichen von Biodiversitätszielen in der Agrarlandschaft bei.

Momentan muss der Landwirt stillgelegte Flächen einmal im Jahr abhäckseln, um nachzuweisen, dass er sie noch im Rahmen des "Guten Landwirtschaftlichen und Ökologischen Zustandes (GLÖZ)"- Standards bewirtschaftet und somit prämienberechtigt ist. Eine flexiblere Gestaltung der Mindesttätigkeit ist zwingend erforderlich, um das Ziel der Biodiversitätsschaffung nicht unnötig negativ zu beeinträchtigen. Nach Auffassung des DJV müsste es künftig dem GLÖZ-Standard entsprechen, wenn der Landwirt diese Flächen aktiv durch Ansaat begrünt (z. B. mit einer Wildpflanzenmischung, die für Insekten, Vögel und Wildtiere wertvoll ist), ganz oder teilweise bis zu sechs Jahre stehen lässt und nicht bearbeitet. Durch die aktive Ansaat hätte der Landwirt nachgewiesen, dass er die Fläche aktiv bewirtschaftet und sie nicht einfach nur sich selbst überlässt. Dies sollte bei der Neuausrichtung der GAP berücksichtigt werden. Eine qualifizierte Ansaat einer Brachfläche muss finanziell höher gewertet werden als die Basisprämie.

Die Politik sollte dem Steuerzahler erläutern, warum und wie knapp die Hälfte des EU-Haushaltes für die Unterstützung der Agrarwirtschaft eingesetzt wird. Momentan haben selbst die Betroffenen (Landwirte und zuständige Stellen in Politik und Beratung) Schwierigkeiten, sämtliche Vorgaben entsprechend zu verstehen und umzusetzen. Es wäre eine Chance, mit Hilfe von verstärkter Öffentlichkeitsarbeit das Thema "Umwelt- und Klimaschutz" verständlicher zu machen und Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber der Landwirtschaft zu erreichen.

Der Aufbau eines wissenschaftlichen Monitoringzentrums zur Biodiversität, wie er im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, ist längst überfällig. Der DJV sieht hier gute Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit seinem langjährigen Monitoringprogramm WILD (Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands). Die Bestandsentwicklung von Insektenarten muss wissenschaftlich begleitet werden. Deren kontinuierliches Monitoring ist ein wichtiger Bestandteil des nationalen Strategieplanes zur Erreichung von Biodiversitätszielen im Rahmen der GAP.

Gerade vor dem Hintergrund eines möglichen Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Deutschland ist es zwingend notwendig, Bejagungsmöglichkeiten in der Agrarlandschaft während der gesamten Vegetationsperiode zu schaffen. Dies gilt generell für größere Schläge ab etwa 5 Hektar, auf denen beispielsweise Mais, Raps oder Weizen wächst. Durch die Anlage von Blüh- und Bejagungsschneisen können mehrere Ziele erreicht werden. Zum einen hat der Jäger die Möglichkeit, Schwarzwild überhaupt zu bejagen, das einen erheblichen Prädationsdruck auf Bodenbrüter ausübt. Zum anderen stellen diese Schneisen einen hohen Mehrwert für die Biodiversität dar und tragen zur ökologischen Vielfalt bei. Schneisen sollten deshalb als höherwertige Artenschutzmaßnahme honoriert werden. Der Landwirt muss einen finanziellen Anreiz bekommen, diese Flächen als „Produktionsziel Biodiversität“ anzulegen. Vorstellbar wäre eine verpflichtende Anlage von Blüh- und Bejagungsschneisen ab einer gewissen Schlaggröße mit einer Kultur, bei gleichzeitiger finanzieller Entlohnung. Künftig muss die Etablierung von Blüh- und Bejagungsschneisen in allen Kulturarten unkompliziert möglich sein. Die derzeit in den meisten Bundesländern gängige Codierung "Mais mit Schneise" verhindert das aufwändige Ausmessen der Schneisen. Dieses Codierungssystem sollte auch auf andere Feldfrüchte wie beispielsweise Raps, Roggen oder Weizen übertragen werden. Ein unverhältnismäßiges Sanktionsrisiko, wie es derzeit im Greening üblich ist, wird abgelehnt (siehe auch Maßnahmenbezogene Hilfestellung für die Direktzahlungsempfänger bei der Agrarantragstellung und Minderung des Sanktionsrisikos).

Maisanbau, besonders als Monokultur, steht nach wie vor in der Diskussion. Mehrjährige ertragreiche Wildpflanzenmischungen aus heimischen Arten stellen eine Alternative zur Energiegewinnung dar, ihr Anbau vereint Ziele des Umwelt-, Natur- und Klimaschutzes. Sie sind ökologisch wertvoll: Insekten finden Nahrung und Unterschlupf für den Winter, Bodenerosion wird reduziert und das Grundwasser geschützt. Gleichzeitig sind sie ökonomisch sinnvoll: Mehrjährige Wildpflanzenmischungen benötigen weniger Bearbeitungsgänge. Zusammen schafft dies Akzeptanz bei Landwirtschaft und Naturschutz. Für Landwirte sollte im Rahmen der GAP ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, Wildpflanzenmischungen anstatt Mais anzubauen. Denkbar wäre, Wildpflanzenmischungen im Rahmen des Greenings anzuerkennen. Voraussetzung: Der Erntezeitpunkt muss nach der Brut- und Setzzeit liegen. Wenn weiterhin erneuerbare Energien gefördert werden sollen, dann sind heimische Wildpflanzenmischungen eine umweltverträgliche, biodiversitätsfördernde und geldsparende Möglichkeit.

Intensiv geführte Betriebe mit Grünlandflächen müssen ebenfalls Umweltleistungen erbringen. Der Fokus sollte dabei auf Bodenbrüter- und Jungwildschutz gelegt werden. Es wäre denkbar, die Biodiversitätsziele in der ersten Säule auch auf das Grünland zu übertragen und beispielsweise 5 Prozent des Grünlandes extensiv zu nutzen – unter anderem über Verzicht auf Düngung und Pflanzenschutz oder ausschließliche Heumahd ab 1. Juli. Alternativ kämen alternierende Altgrasstreifen in Frage. In der zweiten Säule sollten innovative Erntetechniken sowohl in Forschung und Entwicklung als auch im praktischen Einsatz über die Investitionsprogramme gefördert werden – etwa für Kitzrettung oder Bodenbrüterschutz. Derzeit konzentriert sich der Naturschutz im Grünland fast ausschließlich auf den Erhalt bestimmter Pflanzengesellschaften und Pflanzenarten.

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Fokus Biodiversität: Eckpunktepapier des DJV für die GAP-Reform 2020 (Stand: Mai 2020)

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