(Quelle: Kauer/DJV)

Graureiher (Ardea cinerea)

In früheren Zeiten als Fischschädling (daher Fischreiher genannt) klassifiziert, wird der überwiegend grau gefärbte Reiher heute neutral als Graureiher bezeichnet, denn er frisst nicht nur Fische, sondern vielerorts auch zu einem nicht geringen Teil Mäuse und Amphibien, Reptilien und Wasserinsekten.

Graureiher
Graureiher (Quelle: Rolfes/DJV)

Kennzeichen

Großer Schreitvogel (bis 100 cm Kopf-Schwanzlänge) mit langen, orangegelb bis grünlichgrau gefärbten Beinen, Spannweite: 150-175 cm; Gewicht bis 2 kg.
Gefieder mittel- bis dunkelgrau an Flügeln und Bauch, der lange, schlanke Hals weißlich-hellgrau und vorne mit schwarzer Längsstrichelung. Kopf weiß mit schwarzen Scheitelseiten und Nacken, adulte Vögel zur Brutzeit mit schwarzen Schmuckfedern am Hinterkopf Starker, dolchförmiger Schnabel gelb-grünlich – zur Brutzeit orangegelb – gefärbt. Im Flug immer S-förmig eingezogener Hals (typisch für alle Reiher). Junge und noch nicht ausgefärbte Vögel blasser und heller grau, Oberschnabel grau, Unterschnabel gelblich – orange; kontrastreiche schwarz-weiße Kopfzeichnung erst beim adulten Vogel.

 

Verbreitung und Stellung im zoologischen System

Graureiher sind weit verbreitet – über die gesamte Paläarktis, also von Westeuropa durch ganz Asien und auch im südlichen Afrika. In klimatisch ungünstigeren Gebieten ziehen sie nach der Brutzeit in gemäßigte Zonen um dort zu überwintern. Die Art fehlt in diesem großen Verbreitungsgebiet lediglich in Wüsten, Tundren, Steppen und Hochgebirgen. In Deutschland hat sich die Art seit Ende der Verfolgung als Fischereischädling (ab ca. 1970) wieder vermehrt und ist mit einem Brutbestand von 20 000 bis 25 000 Paaren und in seiner Verbreitung langfristig stabil.

Der Graureiher wird in die Familie der Reiher (Ardeidae) innerhalb der Ordnung der Pelikanartigen (Pelecaniformes) gestellt

Lebensraum

Als Lebensraumgeneralist hat er wenig spezielle Ansprüche an sein Siedlungshabitat, es muss (meistens) Wasserflächen, vor allem seichte Uferbereiche und Bäume zur Anlage der Horste aufweisen. Graureiher sind Koloniebrüter, suchen aber allein nach Nahrung. Die Brutplätze können auch weit von Gewässern entfernt liegen, teils auch in fast wasserfreien Gebieten. Es werden Gewässer aller Art genutzt, wenn sie mindestens 5 Monate eisfrei sind und flache Bereiche zur Nahrungssuche aufweisen. Graureiher siedeln sogar in Höhen von 2000m (Armenien) bis 4000m (Indien). In Europa werden sie zunehmend auch in Städten und an Parkgewässern beobachtet, dort entstehen mit Brutkolonien aber oft Konflikte (starke bzw. „gezielte“ Kotbelastung!).

Nahrung

Breites Nahrungsspektrum – Fische, Amphibien, Schlangen, Mäuse und große Wasserinsekten, gelegentlich Eier und Jungvögel. Nahrung wird lauernd oder langsam schreitend erbeutet, Beutetiere können sehr groß sein (Schermäuse, große Fische, Ringelnattern) und werden im Ganzen verschluckt. Bei der Nahrungssuche werden selten andere Reiher in der Nähe geduldet (nur bei sehr gutem Nahrungsangebot).

Sinnesleistung und Lautäußerung

Graureiher sind vor allem tagaktiv, daher sind Seh- und Hörsinn – wie bei allen Vögeln – am besten ausgebildet; da sie auf Bewegungen unter Wasser besonders schnell reagieren müssen ist exzellentes Sehen am wichtigsten.

Flugrufe laut und heiser krächzend „kräich“ oder „kah-Ährk“, in der Kolonie diverse keckernde und krächzende Laute.

Fortpflanzung und Lebenserwartung

In der Regel brüten Graureiher ab dem zweiten Lebensjahr. Sie sind monogam, selten tritt Bigamie auf. In den lebhaften Kolonien herrscht zur Brutzeit (März bis Juni) ständig Streit um Nistmaterial, der Vorteil der Kolonie liegt aber in der gemeinsamen Feindabwehr (z.B. gegen Rabenvögel, die Eier stehlen wollen). Die Nester sind wenig stabil oder kunstvoll gebaut, manche stürzen bei Stürmen auch ab, kleinere Waldgebiete mit hohen und gut beasteten Bäumen werden ausgewählt. Im Laufe der Zeit sterben diese durch den scharfen Kot ab und es muss dann ein neuer Standort gesucht werden.

Eine Jahresbrut, das Gelege umfasst 4-5 Eier, die Brutdauer beträgt etwa 26 Tage, die Küken sind Nesthocker und schlüpfen asynchron (Bebrütung ab dem ersten Ei). Zwischen Jungvögeln kann es sehr aggressiv zugehen. Mit 30 Tagen beginnen die Jungen im Nestbereich umher zu klettern – Absturzgefahr hoch! – mit 50 Tagen sind sie flugfähig, kehren aber noch einige Zeit zum Nest zurück um gefüttert zu werden. Der älteste beringte Graureiher war 35 Jahre alt.

Gefährdungen

Als ausgewachsener, gesunder Vogel relativ wenig Feinde, Jungvögel und schwache Tiere können von Seeadler, Uhu und evtl. auch Habicht und Rabenvögeln – am Boden vom Fuchs – erbeutet werden, Baummarder können nachts in die Nester klettern und die Eier rauben.

Im Bundesjagdgesetz

Der Graureiher ist Wild im Sinne des Bundesjagdgesetzes. Die Bundesländer regeln aber Jagd- und Schonzeiten unterschiedlich, manche haben den Graureiher nicht mehr als jagdbares Wild gelistet, manche erteilen Abschussgenehmigungen auf Antrag der Fischereibetriebe.

 

Quellen

  • Cramp, S. et al. (1977): Handbook of the Birds of Europe, the Middle East and North Africa. Vol. I Ostrich to Ducks. Oxford University Press.
  • Gerlach, B., R. Dröschmeister, T. Langgemach, K. Borkenhagen, M. Busch, M. Hauswirth, T. Heinicke, J. Kamp, J. Karthäuser, C. König, N. Markones, N. Prior, S. Trautmann, J. Wahl & C. Sudfeldt (2019): Vögel in Deutschland – Übersichten zur Bestandssituation. DDA, BfN, LAG VSW, Münster.
  • Svensson, L.; Mullarney, K.; Zetterström, D. (2011): Der Kosmos Vogelführer. 2. Auflage, Franck-Kosmos Verlag, Stuttgart.