Im Meulenwald gemeinsam Jagd erleben
Forstamtsleiter und LJV-Vizepräsident Gundolf Bartmann lächelt zufrieden, als er gegen 17.30 Uhr den Vorplatz seines Forstamtes in Trier inspiziert. Präparate heimischer Wildtiere, Abwurfstangen, die 'Erlebnisschule Wald und Wild', Stehtische und Grill sind aufgebaut. Es ist sonnig und warm an diesem letzten Tag im Mai. Bartmann ist entspannt. Er ist ein alter Hase beim Organisieren von Veranstaltungen und kann sich stets auf sein Team verlassen. Heute erwartet er 15 Nichtjäger, denen er das Erlebnis der Jagd näher bringen will. 'Ein authentisches, fast meditatives Naturerlebnis in der Ruhe des Waldes suchen viele', sagt er und will genau das den Gästen von 'Gemeinsam Jagd erleben' vermitteln.LJV-Vizepräsident Bartmann hat sich für sein Vorhaben Verstärkung geholt. Neben seinem Forstamt-Team sind auch die rheinland-pfälzische Jagdkönigin Sarah Wirtz und der stellvertretende LJV-Schatzmeister Tobias Hahn mit von der Partie. Sie werden von Gundolf Bartmann herzlich begrüßt. Die Vorfreude auf den kommenden Abendansitz im Meulenwald steht den passionierten Jägern ins Gesicht geschrieben. Und lange warten müssen sie auch nicht, denn nach und nach treffen die nichtjagenden Gäste ein - manche anfangs noch etwas zögerlich, doch der freundliche Empfang durch den Forstamtsleiter persönlich bricht schnell das Eis.
Zügig wird der Grill angefeuert, die Gäste verteilen sich an den Stehtischen, wo sie mit kühlen Getränken versorgt werden. Jäger und Nichtjäger kommen langsam aber sicher ins Gespräch, die Stimmung ist heiter und entspannt. Die frisch gegrillten Wildbratwürste dienen mit ihrem würzigen, unverfälschten Geschmack als zusätzlicher Gesprächskatalysator, denn schnell geht unter den Gästen die Frage um, woher man die wilden Würste beziehen könne. So manch anwesender Jäger findet wohl an diesem Abend neue Wildbretkunden.
Förster Bartmann tritt in die Mitte des Vorplatzes seines Forstamtes und eröffnet nun ganz offiziell den Abend. Er schildert den Gästen, was Jägerinnen und Jäger bei der Ausübung des Waidwerks berührt, welche tiefgehenden Gefühle das Erleben der Elemente in den Waidfrauen und -männern geweckt werden. Die nichtjagenden Gäste hören aufmerksam zu, der eine oder andere nickt anerkennend und das verbindende Band zwischen Jägern und Nichtjägern wird sichtbar: die Liebe zur Natur.
Auch Jagdkönigin Sarah Wirtz wendet sich an die Gäste. 'Mit dieser Veranstaltung möchten wir Jagd transportieren und klar machen, dass wir keine grimmigen, alten Lodenmantelträger sind', erklärt sie. Wirtz betont, dass immer mehr und auch jüngere Menschen den Jagdschein machen, dabei steige der Fraueanteil unter den Jungjägern. Sie erzählt davon, was sie vor mehr als drei Jahren motivierte, selbst den Jagdschein zu machen, wie sie als Biogeographin für ein Forschungsprojekt erstmals Kontakt zu Jägern bekam und mit dem Jagdfieber angesteckt wurde. Als Botschafterin der Jagd ist sie hier voll und ganz in ihrem Element.
Und dann geht's los: Nichtjäger und Jäger kommen zusammen, um gemeinsam Jagd im frühsommerlichen Meulenwald zu erleben. Gast Reimer Blank aus Wittlich freut sich sichtlich, als er Jagdkönigin Sarah zugeteilt wird. Er und seine Frau hatten bei einem Spaziergang bereits einmal die Gelegenheit, Füchse zu beobachten. Sie waren von dem Anblick so fasziniert, erzählt Blank, dass in ihm und seiner Frau der Wunsch erwachte, mehr über die Natur zu erfahren. Da entdeckten sie die Ankündigung der Aktion in Trier und meldeten sich umgehend an.
Aber auch Teilnehmer Ewald Lehnen hat es mit seinem Jäger gut getroffen, denn er darf den stellvertretenden LJV-Schatzmeister Tobias Hahn begleiten. Der rüstige Rentner Lehnen ist selbst Waldbesitzer und verbringt viel Zeit in der Natur. Nach einer Teilnahme an den 'Wilden Sommer-Kochkursen' des LJV wollte er sich nun auch von der Jagd selbst einen Eindruck machen. Auch er entschloss sich kurzerhand, die 'Gemeinsam Jagd erleben'-Aktion im Forstamt Trier zu nutzen.
Die Fahrt durch das Revier zu den Hochsitzen zeigt den Meulenwald im warmen Frühsommerlicht. Die Wagenkolone mit den Jäger-Nichtjäger-Paaren wirbelt auf dem trockenen Waldboden Staub auf, der von der Sonne golden angestrahlt wird. Nach und nach werden der Konvoi kleiner und die Hochsitze belegt. Jagdkönigin Sarah und Reimer Blank bekommen eine Kanzel zugewiesen, die auf eine u-förmige Freifläche gerichtet ist und den Blick auf eine Salzlecke frei gibt. Es ist ruhig; Jägerin und Gast können so erst einmal die Stille genießen, die sie verheißungsvoll empfängt. Die Jagdkönigin erklärt ihrem Gast flüsternd, dass sie sich zunächst einen Überblick verschaffen müssen. Sie gibt ihm ihr Fernglas, mit dem Reimer Blank die Fläche abglast, jedoch ohne ein Wildtier zu entdecken. Amseln gesellen sich zu den Beiden, hüpfen über den Waldboden und lassen sie immer wieder hellhörig werden: sind es tatsächlich die gefiederten Waldbewohner oder könnte vielleicht doch ein Bock auf dem Weg zu ihnen sein?
In der Zwischenzeit werden Tobias Hahn und Ewald Lehnen von Forstamtsleiter Bartmann zu einer offenen Kanzel geführt, die am Rand eines Waldweges auf einem Höhenrücken liegt. Vor den Beiden liegt ein Fichtenstangenholz, das sie durch eine schmale Rückegasse einsehen können. Rechts von ihnen öffnet sich eine begrünte Schneise. Doch bevor sie den Ansitz beginnen können, müssen Hahn und Lehnen das Auto noch einige 100 Meter zurück ins Tal fahren und parken. Von dort aus pirschen sie den Sitz so leise wie möglich an. Der Duft von Moos und Fichtenharz heißt sie im Meulenwald willkommen. Aber nicht nur den Jägern winkt der Forst um Trier einladend zu. Auf dem Weg zur Kanzel werden sie zweimal von Radfahrern überholt, was ihnen die Möglichkeit gibt, für einige Meter das Schritttempo zu erhöhen. Rotwildfährten auf dem Weg und der urtümlich anmutende Mischwald, durch den die zwei Männer gehen, versprechen einen spannenden Ansitz. Nach rund 20 Minuten erreichen sie die Kanzel.
Bei Sarah Wirtz und Reimer Blank lässt sich noch nichts blicken. Die Jägerin erklärt dem Jagdneuling, wie ihre Waffe funktioniert und worauf bei der Verwendung dieses Werkzeugs besonders zu achten ist. Wirtz lässt ihre Begleitung durch das Zielfernrohr schauen, damit er sich selbst einen Eindruck davon machen kann, wie die Sicht des Jägers beim Schuss ist. Zaghaft nimmt Blank die Büchse in die Hand. Die Haptik der Kombination von kaltem Stahl und warmem Holz überrascht den Jagdgast. Auch das Gewicht der Waffe hat er sich wohl anders vorgestellt, vielleicht geringer. Neugierig schaut er durch die Optik, das Fadenkreuz fest im Blick. Schließlich übergibt Blank die Waffe voller Respekt in die Hände 'seiner' Jägerin. Ihr Blick wendet sich wieder der Fläche vor ihnen zu. Noch ist kein Wild zu sehen - aber zu hören, weit entfernt, schemenhaft, für den Jagdgast fremdartig und doch vertraut. Für seine jagdunerfahrenen Ohren klingt es nach Hundegebell.
Andernorts beginnt der Ansitz von Tobias Hahn und Ewald Lehnen. Sie lauschen dem Vogelgezwitscher aus den Baumkronen über ihren Köpfen und nehmen die Stimmung der anbrechenden Abenddämmerung mit allen Sinnen auf. Insekten brummen um die Kanzel und die eine oder andere Maus saust raschelnd durchs Blatterwerk am Boden. Ein leises Knacken lässt die Beiden aufhorchen, doch verflüchtigt sich wieder die Hoffnung auf Anblick. Plötzlich schreckt im Stangenholz vor ihnen ein Stück Rehwild. Der Lautstärke nach zu urteilen befindet sich das Reh noch recht weit von ihrer Kanzel entfernt. Dennoch keimt Hoffnung bei Hahn und Lehen auf. Jagdgast Lehnen ist als 'Waldläufer' erfahren genug, um zu erkennen, was er da zu hören bekam. Gemeinsam mit Jäger Hahn spekulieren sie über die Ursache für das Schrecken des Rehwildes. Waren es Spaziergänger? Bis jetzt hatten sie keine gesehen. Könnte das Reh Wind von ihnen bekommen haben? Das kann es auch nicht sein, denn der Wind steht günstig. Sollten etwa Sauen unterwegs sein? Angestrengt lauschen sie weiter in die Tiefe des Waldes.
Reimer Blank ist inzwischen schlauer; Sarah Wirtz erklärt, dass es sich beim 'Hundegebell' um Rehwild handelt. Nach rund zehn Minuten verstummt das Reh schlagartig. Völlig überraschend tritt hinter einem hochgewachsenen Strauch rechts der Kanzel ein junger Hirsch hervor. Das im Bast gehüllte Geweih verbirgt er hinter niedrig hängenden Ästen, sodass es für die Jägerin kaum möglich ist, das majestätische Tier anzusprechen. Jagdgast Blank flüstert ehrfürchtig: 'Das ist aber ein großer Bock!' Wirtz erklärt ihm, dass es sich um einen Rothirsch handelt und nicht um einen Rehbock. Sie macht ihm deutlich, wie besonders dieser Anblick sei, denn einen Hirsch würde man nicht alle Tage zu Gesicht bekommen. Das Antlitz des Hirsches zieht die Beiden in ihren Bann, wie versteinert blicken sie ihm nach. Die Zeit fließt dahin wie Honig, der langsam und dickflüssig eine satte Wabe hinunter läuft. Es sind Eindrücke, die sich unvergesslich im Geist des Jagd-Duos festsetzen. Wieder schreckt ein Reh, das Geräusch reißt die Jägerin und ihren Begleiter aus der trancehaften Kontemplation und just in diesem Augenblick springt der Hirsch mit einer kraftvollen Bewegung aus ihrem Blickfeld. Zurück bleibt eine leere Fläche, kein Wild mehr weit und breit.
An anderer Stelle umkreisen Wespen summend die Kanzel von Ewald Lehnen und Tobias Hahn. Die Fluggeräusche der schwarz-gelben Tiefflieger erschweren den Beiden das Hören. Noch vernehmen sie das Rehwild schrecken, doch die Ursache bleibt ihnen weiterhin verborgen. Dann verstummt es, ohne sich zu zeigen. Die Hoffnung, dass sich Schwarzwild blicken lässt, wird schwächer. Plötzlich nimmt Hahn eine Bewegung auf dem Waldweg links von sich wahr. Ein brauner Punkt, untrüglich Rehwild! Das Stück verhofft aber nicht, scheinbar will es nur den Weg überqueren. Unverzüglich macht er seinen Gast auf das Reh aufmerksam, dieser schaut nach links, sieht das Reh und duckt sich eilig unter die Brüstung. Es herrscht leichte Verwirrung in der Kanzel. Tobias Hahn tippt Ewald Lehnen erneut an, der Nichtjäger deutet fragend auf Hahns Büchse, die in der Ecke der Kanzel steht. Scheinbar glaubt er, es werde nun ernst und wollte seinem Jäger den Schuss aus seiner Kanzelseite ermöglichen. Der Jäger hebt durch ein kurzes Kopfschütteln den Irrtum auf und beide Männer lächeln sich über das Missverständnis amüsiert zu. In der Zwischenzeit zieht das Stück Rehwild an der Grenze zur Dickung einige Meter von den Beiden weg. Ewald Lehnen kann es aber noch einige Momente durch das Fernglas beobachten.
Den Rest des Abends bleibt es sowohl bei Jägerin Sarah Wirtz und Gast Reimer Blank als auch bei Waidmann Tobias Hahn und Nichtjäger Ewald Lehnen ruhig. Gegen 22.00 Uhr baumen die Gespanne ab und machen sich durch den in Dunkelheit getauchten Meulenwald zurück zum Forstamt. Im Licht der Außenbeleuchtung des Forstamtes treffen sich die Teilnehmer der 'Gemeinsam Jagd erleben'-Aktion. Eine Traube hat sich um den Eingang der Wildkammer gebildet, ein Jährlingsbock ist zur Strecke gekommen. Gemeinsam wird dem Bock die letzte Ehre erwiesen, indem die Strecke verblasen wird.
Anschließend stehen Jäger und Nichtjäger zusammen, berichten sich gegenseitig von ihren Erlebnissen. Stolz erzählen Sarah Wirtz und Reimer Blank vom Hirsch, den sie in Anblick hatten. Auch Ewald Lehnen und Tobias Hahn stellen den Anwesenden den Ablauf ihres Ansitzes dar. Die Stimmung ist ausgelassen, man könnte meinen, diese Runde wäre schon lange miteinander vertraut. Forstamtsleiter Gundolf Bartmann betrachtet die Szenerie. Die Zufriedenheit über die gelungene Aktion steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er ist von 'Gemeinsam Jagd erleben' überzeugt und es wird mit Sicherheit nicht das letzte Mal gewesen sein, dass er Jäger und Nichtjäger zusammenbringt, um gemeinsam den Zauber der Jagd zu erleben. Günther D. Klein