Mit dem Thema Jagd hatte ich nie viel am Hut. Unbewusst hatte ich vielleicht tief in mir das kleine Vorurteil gehegt, dass Jäger ein schießwütiges Volk wären, nur darauf aus Tiere abzuknallen, Beute zu machen und Trophäen zu sammeln. Mehr habe ich mich damit gar nicht beschäftigt.Bis ich dieses Frühjahr Markus, einen Jäger, kennen lernte und anfing ihm Fragen zu stellen. Die erste Offenbarung für mich war, dass es einen Abschussplan gibt und nicht unbegrenzt Tiere erlegt werden dürfen. Auch nicht zu jeder Zeit und nicht auf jede Art. Sondern waidgerecht. Ich habe erfahren, dass jung vor alt kommt und krank vor gesund. Und eben nicht das Tier mit dem größten 'Geweih' zuerst. Ab dem Zeitpunkt habe ich verstanden, dass es nicht darum geht Tiere abzuschießen, sondern um Tierschutz in einem Ökosystem. Mein Interesse war geweckt. Und dann wollte ich unbedingt einmal mitgehen. Ein einzelnes Erlebnis, das mich besonders beeindruckte? Das hatte ich nicht. Vielmehr bin ich fasziniert, dass die Jagd so viel vielseitiger ist, als ich dachte. Immer wieder erlebte ich einen kleinen Aha-Effekt dabei, jedes Mal einen anderen.
Sehr beeindruckend für mich war eine Schilfjagd. Ursprünglich hatte ich vor, mich neben Markus zu stellen, der als Schütze eingeteilt war. In der Hoffnung Tiere zu sehen. Aber die Treiber überzeugten mich, mit durch zu gehen. Das hatte ich vorher noch nie getan. Bevor es los ging stand fest, dass ich falsch angezogen war: Lange Unterhose und Unterhemd sollte ich ausziehen. Die Treiber meinten, es würde warm werden. Das hatte ich mir so nicht vorgestellt, ich dachte eher an einen gemütlichen Spaziergang. Als sich gleich zu Anfang einer der Treiber auf alle Viere in den Matsch fallen ließ, um durch eine Hecke zu kriechen, war meine Illusion weg. Worauf hatte ich mich da nur eingelassen? Im Schilf angekommen, wurde es mir sehr mulmig. Um mich herum mehr als zwei Meter hohe Stängel und keine freie Sicht. Eigentlich war mein Wunsch immer, eine Sau mal recht nah zu sehen. Dort im Schilf hoffte ich, dass sie mir so fern wie möglich bleiben würden. Ich erschrak jedes Mal fast zu Tode, wenn es in unmittelbarer Nähe raschelte, im Glauben, gleich einem aufgeschreckten Schwarzkittel gegenüber zu stehen, um dann erleichtert zu merken, dass es nur einer der Jagdterrier war. Heilfroh war ich, unbeschadet das Ende des Schilfs zu erreichen. Nass geschwitzt, mit lahmen Beinen und erstaunt, dass Jagd so anstrengend sein konnte.
Immer wieder ein Aha-Effekt
An einem anderen Wochenende konnte ich die Treibjagd im Wald erleben. Wer hätte gedacht, dass abseits der Wege, in unserem schönen Pfälzer Wald, so viele Hecken mit Dornen wachsen? Hautnah erlebte ich mit, wie ein Terrier einen Frischling stellte, der dann abgefangen werden musste. Ein noch ganz kleines Tier, vielleicht 3-4 Wochen alt. Der Hundeführer, dem ich neugierig über die Schulter schaute, sagte zu meinem Erstaunen, dass es ihm leid tue, den kleinen Frischling abfangen zu müssen, erläuterte mir aber, dass das Tier aufgrund der Jahreszeit und seines geringen Gewichts den Winter nicht überleben würde. Von Mordlust keine Spur in seinen Worten.
Eine weniger schweißtreibende Variante habe ich ebenfalls kennengelernt, die Ansitzjagd. Nie hätte ich gedacht, dass man so lange warten, so viel Geduld mitbringen und so leise sein muss. Weil das Wild viel mehr hört als wir Menschen, sehr schlau und vorsichtig ist. Ich war erstaunt, was man im Wald trotz der Ruhe alles wahrnimmt. Ganz faszinierend finde ich die Geräusche der Sauen, die man in der Nacht hört, schon lange bevor man sie sehen kann. Als kleine rote Punkte konnte ich sie durch die Wärmebildkamera beobachten. Konnte verfolgen, wie die Bachen immer wieder wachsam stehen blieben, damit der Rotte nichts passiert. Das war ein wunderbares und spannendes Erlebnis, auch wenn wir keine Sau erlegten.
Besonders toll fand ich auch einen Spaziergang ganz ohne Waffe und Jagdausrüstung, bei dem Markus' Jagdhund eine Ricke aufschreckte. Er vermutete ihr Kitz ganz in der Nähe und zeigte mir, wie man mit einem Grashalm blattet - und die Ricke gab tatsächlich Antwort. Nie zuvor hatte ich ein Reh gehört und war total erstaunt, dass es ähnlich bellt wie ein Hund.
Freilebende Wildtiere und ihren Lebensraum sehe ich durch meine Jagderlebnisse nun mit anderen Augen. Ich bin aufmerksamer, lausche im Wald auf Geräusche, die die Ruhe stören und auf Wild hinweisen könnten, halte Ausschau nach Fährten und aufgebrochenem Boden. Besonders die Sauen faszinieren mich - so schlau, lernfähig und unberechenbar, wie sie sind. Ich habe mittlerweile höchsten Respekt vor Wildtieren. Wie schön, dass ich mich auf ein Thema einlassen durfte, mit dem ich früher nichts anfangen konnte. So sehe ich auch die Jagd selbst mit völlig anderen Augen: Statt abknallen und Trophäensammeln geht es um aktiven Tier- und Umweltschutz. Monika Altvater