„Jedes Tier wird komplett verwertet“
DJV: Es gibt bereits so viele Kochbücher auf dem Markt, was ist das Ausgefallene an Deinem Werk?
Fabian Grimm: Mein Kochbuch hat ein klares Konzept: Jedes Tier, was ich erlegt habe, wird komplett verwertet. Also gibt es zum Reh einen Rücken, zwei Blätter, zwei Keulen, zwei Haxen und einen Träger. Für mein Buch habe ich auf diese Art insgesamt einen Rehbock, einen Damspießer, einen Feldhasen, vier Enten und ein Stück Schwarzwild verarbeitet. Neben den Rezepten gibt es auch die Geschichten, wie ich zum jeweiligen Stück Wild gekommen bin. Am Ende ist ein Kochbuch mit viel Hintergrund zum Thema Jagd entstanden.
Auf Deinem Blog und in den Sozialen Medien nennst Du Dich „Haut goût“. Wie bist Du zu diesem Namen gekommen?
Vor zwei bis drei Generationen war „haut goût“ ein beschönigender Ausdruck für Wildbret, das lange in der Scheune hing und trotz beginnendem Verderb gegessen wurde. Heutzutage wird Wild genauso hygienisch behandelt wie das Fleisch von Schlachttieren. Das Vorurteil vom „strengen“ Geschmack ist aber noch immer gängig. Bei traditionellen Braten geht der Geschmack vom Fleisch durch kräftige Gewürze, gespickt mit Speck und schwerer Soße daher völlig unter. Das aufzugreifen und umzudrehen, indem ich unter „haut goût“ moderne, reduzierte Wildgerichte zeige, amüsiert mich. Da der Name nicht einfach zu merken ist, kann mein Blog auch über die Adresse "vom-lebewesen-zum-lebensmittel.de" erreicht werden.
Was inspiriert Dich zu Deinen Rezepten?
Ein Tier liefert ganz viele verschiedene Fleischqualitäten. Es gibt Stücke, die gut zu Hackfleisch verarbeitet werden können, ideal zum Schmoren sind oder sich zum Kurzbraten eignen. Neben dem Fleisch versuche ich stets saisonale Kräuter, Beeren und Pilze aus dem Revier mitzunehmen. So entstehen tolle neue Kombinationen auf dem Teller. Da ich viel nach den Jahreszeiten koche, bleiben mir meist nur wenige Wochen, um an Zutaten wie Mädesüß, Pfifferlinge oder Bärlauch zu kommen. Das macht es spannend und da heißt es schnell sein.
Welches ist Dein Lieblingsrezept?
Im Sommer, nach einem heißen und anstrengenden Tag, grille ich gerne ein Stück Rücken oder etwas aus der Keule. Da mache ich mir nicht viel Arbeit. Ich würze das Fleisch mit etwas Salz und brate es auf beiden Seiten scharf an. Anschließend lasse ich es am kühleren Rand des Grillrosts für einige Minuten bis zum gewünschten Gargrad ziehen. Aufschneiden, eine Prise Pfeffer und eventuell ein Tropfen gutes Olivenöl, dazu gutes Weißbrot – viel besser wird es nicht. Wenn es draußen kühler wird, habe ich Spaß daran, mich mit einem deftigen Gericht irgendwo hinzusetzen. Dann bevorzuge ich Schmorrezepte, worauf ich mich schon jetzt freue.
Neben den 50 Rezepten und den Geschichten zum jeweiligen Wildtier gehst Du auch auf Fleischqualität, Küchenpraxis und Einkauf von Wildbret ein. Ist das Buch auch für Nichtjäger geeignet?
Viele Leute, denen das Weidwerk fremd ist, sind sehr daran interessiert, wenn ich sage “ich gehe auf die Jagd“. Nicht jeder hat eine Vorstellung davon, was das heißt. Die Geschichten in meinem Buch zeigen, wie facettenreich die Jagd ist, und machen sie greifbarer. Die Rezepte sind für alle geeignet. Für Nichtjäger, die das Thema spannend finden oder Interesse an Fleisch aus echter Freilandhaltung haben, gibt es viel Hintergrundwissen.
Die professionellen Aufnahmen im Kochbuch oder auf Deinem Blog stammen stets von Dir. Zu sehen sind fertige Gerichte, Zutaten oder Szenen aus dem Wald. Wie gelingen Dir die Fotos?
Ich habe Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Foto studiert. Das Kochen habe ich mir nebenbei beigebracht. Die Rezeptfotos nehme ich zu Hause in meinem stets wachsenden Studio auf. Hier zeige ich ausschließlich Lebensmittel, die auch Lebensmittel bleiben. Ich verzichte bewusst auf den Einsatz von Lebensmittelfarbe, Klarlack oder Glyzerin und kann am Ende das Essen noch genießen. Auf der Jagd habe ich stets eine Kamera dabei - für den Fall, dass sich etwas Spannendes ergibt.
Du bist Blogger, Fotograf und Jäger. Nachdem Du 2018 ein Buch zur vollständigen Verwertung eines Rehs veröffentlicht hast, folgte 2019 »Ich esse, also jage ich«. Hier schilderst Du Deinen Wandel vom Vegetarier zum Fleischesser und was Dich bewegt hat, die Jägerprüfung abzulegen. Kein Jahr ist vergangen und »Grimms Wildkochbuch« ist im Handel. Welche Projekte planst Du als nächstes?
Als sich das Buch »Ich esse, also jage ich« in den letzten Korrekturen befand, hatte ich parallel schon am Wildkochbuch gearbeitet. Das ist jetzt über ein Jahr her. Bis vor wenigen Tagen habe ich seitdem ständig dran gearbeitet. Jetzt freue ich mich darauf, etwas mal ganz anderes zu machen. In den nächsten Wochen und im nächsten Jahr möchte ich mich mehr mit Film beschäftigen. Vielleicht gibt es dann beim Sophie Award 2021 etwas zu sehen.