Kein Grund, Wildfütterung zu verbieten
Winterzeit ist Fütterungszeit. Was bei Amsel, Meise & Co. selbstverständlich ist, will Landwirtschaftsminister Alexander Bonde für Rehe und Hirsche offenbar verbieten. So sieht die Landesregierung in der Fütterung von Schalenwild einen „starken Eingriff in die natürlichen Vorgänge eines Ökosystems mit vielfältigen Folgen für das Wild und die Ökosysteme“. Dies wird in der Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage der CDU-Landtagsfraktion deutlich, die am 6. Dezember 2013 ausgegeben wurde (Drucksache 15/4031). Die Fütterung führt angeblich „zu Bestandshöhen (…), die weit über der jagdrechtlich geforderten Anpassung an die landwirtschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen liegen“. In anderen Worten: Nach Ansicht des Ministers führt die Fütterung in Notzeiten dazu, dass das Wild den Wald auffrisst.
Der Landesjagdverband hält dagegen: Es ist erwiesen, dass Rehe auf ein großes Nahrungsangebot nicht mit einem enormen Geburtenanstieg reagieren können, wie es beispielsweise Wildschweine tun. Eine gesunde Rehgeiß bringt regelmäßig zwei Kitze pro Jahr zur Welt, unabhängig davon ob sie gefüttert wird oder nicht. Eine Bestandsregulierung durch ein Fütterungsverbot, wie es von einigen Interessengruppen gefordert wird, bedeutet, dass Rehe in harten Wintern verhungern. Eine solche Praxis halten die Jäger aus Tierschutzsicht für unvertretbar. Außerdem fragen sie, ob die Rehe dann in Notzeiten wirklich verhungern oder aus schierem Selbsterhaltungstrieb nur noch weitere Forstpflanzen verbeißen, die in ihrer Reichweite sind.
Landesjägermeister Dr. Jörg Friedmann erklärt: „Eine sachgerechte Wildfütterung vermindert Wildschäden, statt sie zu erhöhen. Die Landesregierung weicht aus, indem sie auf eine Frage nach sachgerechter Fütterung mit einer Erläuterung artgerechter Fütterung antwortet. Artgerecht bedeutet nur, dass das Futtermittel zum Wildtier passen muss. Sachgerechte Fütterung bedeutet, dass die gesamte Art der Fütterung zum Wild und zum Biotop passt. Sie bewertet die Ziele einer Fütterung und das Maß, in dem diese erreicht werden, beispielsweise Ablenkung des Wildes von verbissgefährdeten Kulturen.“
Wie die Landesregierung in Beantwortung der Landtagsanfrage selbst mitteilt, hat der Laubholzanteil in den öffentlichen Wäldern Baden-Württembergs seit 1990 um zehn Prozentpunkte zugenommen. Über drei Viertel dieser Wälder werden als bedingt naturnah bis sehr naturnah eingestuft. Friedmann kritisiert: „Wenn die Jäger bislang eine solche Entwicklung ermöglicht haben, dann muss man sie jetzt nicht regulieren.“ Der Verbiss ausgesprochener Leckerbissen wie junger Eichen und Tannen sei kein geeigneter Weiser für die absolute Höhe des Rehwildbestands. Die Bewertung erfolge relativ; Bezugsgröße sei die waldbauliche Zielsetzung, die aktuell im Wandel begriffen sei. „Weder Fütterung noch natürliche Sterblichkeit haben hierauf den entscheidenden Einfluss. Nur mit uns Jägern sind diese Waldbauziele zu erreichen; deshalb sollte man uns als kompetente Partner in Eigenverantwortung das Recht zur Fütterung belassen“, fordert Friedmann.
Die Landesregierung hat erklärt: „Die in Baden-Württemberg natürlich vorkommenden Schalenwildarten haben sich im Zuge der Evolution an die natürlichen Nahrungsgrundlagen angepasst. Nahrungsengpässe werden auch ohne Fütterung überstanden.“ Friedmann weist darauf hin, dass diese Schlussfolgerung zu Recht zweimal das Wort „natürlich“ enthalte. Sie habe dementsprechend auch nur dort Gültigkeit, wo natürliche Rahmenbedingungen herrschen. Die Lebensräume in Baden-Württemberg sind heute mehr denn je von menschlichen Eingriffen geprägt und damit nicht „natürlich“. Die Lebensräume des Wildes werden immer mehr durch Straßen und Bebauung zerschnitten, massive Störungen durch Freizeitaktivitäten in Wald und Feld rund um die Uhr setzen dem Wild mehr zu als Schnee und Eis. Im Winter, wenn sein Stoffwechsel heruntergefahren ist, wird es heute regelmäßig zu kraftzehrenden Fluchten gezwungen.
Unstrittig sei in jedem Fall, dass eine Wildfütterung am falschen Ort oder mit falschen Futtermitteln nachteilig ist. Der Landesjagdverband erkennt dennoch keinen Sinn darin, alles Füttern zu verbieten. Er verweist auch auf das Votum der Öffentlichkeit zu diesem Thema: In einer repräsentativen Befragung des unabhängigen IfA-Instituts im Jahr 2011 gaben 85 Prozent der Befragten an, es sei gut, dass Jäger in Notzeiten Wild füttern.
Foto: Erich Marek
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