Kids für Kitze - 30 junge Wildretter beim Naturschutz- und Jagderlebnistag
Spaß und Nützlichkeit miteinander verbinden: Das ist das Ziel der Aktion "Kids für Kitze" in Ulberndorf, Sachsen. Die Rede ist vom Verscheuchen der Rehkitze durch selbstgebaute Wildretter vor der Frühjahrsmahd. Anders als ausgewachsene Rehe, fliehen die Kitze beim Herannahen der lauten Mähmaschinen nicht. Aufgrund ihrer fast vollständigen Geruchlosigkeit und ihrer geringen Größe ist das reglose Liegen im hohen Gras für sie der ideale Schutz vor Beutegreifern. Sie bleiben selbst bei geringer Distanz in der Regel unbemerkt.
Genau dieses Verhalten wird Ihnen bei der Mahd zum Verhängnis. Jedes Jahr kommt eine Vielzahl von Kitzen durch das Mähwerk ums Leben oder wird schwer verletzt. Um dies zu verhindern, gibt es mehrere Möglichkeiten. Das gezielte Absuchen der Grünflächen mit Jägern, Helfern und Hunden direkt vor der Mahd ist eine davon. Eine weitere ist das Aufstellen von Wildscheuchen im hohen Gras 1-2 Tage zuvor. Durch die unbekannten, raschelnden und klappernden Gestalten beunruhigt, holen die Ricken ihre Jungtiere über Nacht aus der Wiese und bringen sie damit in Sicherheit.
Der alljährliche Bau von Wildscheuchen und der damit einhergehende Wettbewerb um die schönste Scheuche hat am Landgut Kemper & Schlomski inzwischen Tradition. Ursprünglich von den Mitarbeitern als hofinterner Wettstreit ins Leben gerufen, beteiligen sich inzwischen immer mehr naturschutzinteressierte Kinder und Jugendliche aus der Region an der ebenso humorvollen wie lebensrettenden Aktion.
Um noch mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken und das Wissen um die Kitzrettung durch das Aufstellen von Wildscheuchen weiter zu tragen, ist der Wettbewerb in diesem Jahr zu Gast beim Naturschutz- und Jagderlebnistag auf dem Lindenhof in Ulberndorf. Organisiert vom Landschaftspflegeverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und dem Jagdverband Weisseritzkreis, wird den Besuchern am 1. Mai auf dem schönen alten Gehöft mit den angrenzenden blühenden Streuobstwiesen allerhand geboten. Neben Ständen mit regionalen Erzeugnissen, von Kräutern und Imkereiprodukten, über traditionelles Handwerk bis hin zu kulinarischen Spezialitäten zum vor Ort genießen, ist alles dabei. Auch die jagdliche Ausstellung unter dem Scheunendach ist stilvoll gestaltet und den ganzen Tag über gut besucht.
Den Startschuss zum diesjährigen Wettbewerb geben die Jagdhornbläser mit einem ansprechenden musikalischen Beitrag. Dann kann es losgehen: Die ersten jungen Wildretter haben sich schon einige alte Kleidungsstücke aus dem Vorrat an Bastelmaterialien gesichert. Nun stopfen sie diese hingebungsvoll mit Heu aus und befestigen sie an den vorbereiteten mannshohen Holzkreuzen. Der Fantasie sind bei der Scheuchengestaltung keine Grenzen gesetzt. Gut ist alles, was wehen, rascheln und klappern kann, um später in den Wiesen möglichst großen Eindruck auf das Rehwild zu machen. So werden unter anderem jede Menge im leichten Wind aneinander schlagende Dosen und alte Töpfe, Flatterbänder und Tücher verbaut. Ein individuelles Gesicht und ein Name dürfen bei einer echten Scheuche natürlich nicht fehlen. Detailverliebte Gestalter schmücken ihre Figur noch mit Halsketten und Löwenzahn im Heuhaar. Der Wildscheuchenwettbewerb erweist sich einmal mehr als familientauglich. Während die Erwachsenen die Kopfbedeckung befestigen, malen die Kinder Augen, Nase und Mund auf die Gesichter. 30 Kinder haben sich auf dem Gelände eingefunden und helfen, basteln und bauen für den Wildschutz. Die Kleinsten testen zwischenzeitlich, ob alle Scheuchen auch wirklich Geräusche machen können.
Selbst nachdem alle Scheuchen fertig gestaltet sind und hübsch in Reih und Glied angeordnet dastehen, kommen viele neugierige und ernsthaft interessierte Fragen von den Besuchern. Was ist noch mal der Unterschied zwischen Vogel- und Wildscheuchen? Macht das auch in den eigenen Grünflächen Sinn? Und müssen die Figuren eigentlich menschenähnlich aussehen, um eine Wirkung zu haben? Veranstalterin Bärbel Kemper und Forstwissenschaftlerin Kerstin Heyne beantworten alle Fragen gern, klären auf und motivieren, selbst aktiv zu werden, um das Leid der Kitze zu verhindern.
Wie gut die Methode in der Praxis funktioniert, beweist die eigene Erfahrung: Seit dem Aufstellen der Scheuchen ist bei der Mahd der weitläufigen waldnahen Wiesen am LGKS kein einziges Kitz durch Mähmaschinen zu Tode gekommen. Wie viel Spaß die Kitzrettung außerdem machen kann, ist an diesem Tag deutlich sichtbar. Mit dem öffentlichen Wettbewerb konnte das Landgut-Team bislang jedes Jahr mehr Landwirte und Eigentümer bewirtschafteter Grünflächen für die Aktion gewinnen.