Lea als Glücksbringerin
Kaum waren wir aufgebaumt und die Tür hinter uns zu, erklärte ich ihr, dass wir nur zwei der drei Fensterluken öffnen durften. „Wir haben Südwind, wenn wir diese Luke öffnen, können die Wildschweine im Mais uns riechen“, sagte ich.
Ganz lange mussten wir nicht warten: schon nach einer halben Stunde konnten wir Bewegung an der Waldkante sehen. Auf 400m war es jedoch schwer zu erkennen, was dort los war, da der Mond noch nicht am Himmel stand.
Zum Glück hatte ich mir von einem Freund eine Wärmebildkamera geliehen, in weiser Voraussicht, dass Lea sonst vielleicht langweilig werden könnte. Der Blick durch die Wärmebildkamera bestätigte: eine Bache mit Frischlingen. Untermalt vom freudigen Quieken der Frischlinge konnten wir so beobachten, wie die Sauen 400m weiter links wieder in den Wald zogen. Enttäuschung machte sich bei Lea breit: „ich hatte gehofft, dass sie noch dichter kommen, sodass du sie schießen kannst.“ Ich versicherte ihr, dass die Sauen bestimmt nochmal wieder auf die Wiese ziehen würden. „Wildschweine brauchen pflanzliches und tierisches Eiweiß. Das pflanzliche Eiweiß beziehen sie aus Mais, Eicheln etc und das tierische Eiweiß aus Maden und Würmern, für die sie Wiesenstücke umgraben müssen.“ Ich sollte recht behalten: wieder eine halbe Stunde später zogen die Sauen an der linken Waldkante auf die Wiese, sodass es nur noch 150m Entfernung zum Hochsitz waren. Wieder waren wir beide aufgeregt, Lea beobachtete die Sauen durch die Wärmebildkamera während ich hoffte, dass der Mond noch etwas heller werden würde, sodass ich mehr erkennen könnte. Meine Waffe hatte ich zwar gesichert, aber vorsichtshalber schon mal die Waffe platziert und Lea den Gehörschutz gegeben.
Plötzlich knackte etwas vor uns im Wald, die Sauen zogen fluchtartig links am Hochsitz vorbei in den Wald hinter uns. „So ein Mist!“, sagte Lea, während wir die Sauen im Wald hinter uns rascheln hören konnten. Es folgte eine lange Zeit, die nur durch Stille gefüllt wurde. Ich entschied, dass wir nur noch eine halbe Stunde sitzen würden, wenn weiterhin nichts passiere.
Obwohl ich leider nicht zum Schuss kommen konnte, war die Jagd schon zu diesem Zeitpunkt wesentlich spannender als Lea vermutet hatte. Noch vor dem Ansitz hatte sie sich auf langes Frieren und das stumpfe Starren in den dunklen Wald eingestellt.
„Wenn wir gleich zum Auto gehen, würden uns die Wildschweine denn angreifen, wenn wir ihnen begegnen?“, fragte sie. „Nein“, antwortete ich, „nicht solange sie sich nicht bedroht fühlen. Grundsätzlich haben die mehr Angst vor uns als wir vor ihnen. Hat jedoch die Bache, also die Mutter der Frischlinge das Gefühl, dass ihre Nachkommen bedroht sind, greift sie auch schon mal an.“ Leas Augen weiteten sich. Noch bevor ich etwas sagen konnte, raschelte es im Mais. „Ich glaube es nicht. Trotz Südwind sind die Sauen einmal komplett um den Hochsitz herumgezogen!“. Wieder beobachtete Lea die Sauen mit der Wärmebildkamera im Mais. Im Mais war ein kleines Feld freigeschnitten, sodass man teilweise ein freies Schussfeld gehabt hätte. Lea gab mir die Wärmebildkamera, auch ich wollte mal gucken, wo welche Sauen sind. „Mist, leider steht hier keine Sau einzeln, ich kann nicht schießen, solange ich Gefahr laufe, durch das austretende Geschoss auch eine andere Sau zu treffen.“, sagte ich. Diese folgenden 15 min waren Aufregung pur. Lea berichtete mir immer mal wieder, wo die Sauen hinzogen und wie lustig es aussah, wenn sie die Maispflanzen mit beiden Vorderläufen herunter drückten. „Fast wie ein Hund, der Männchen macht.“ Auf einmal wurde das Geraschel am Feldrand lauter und 4 Frischlinge zogen auf die Wiese. Mein Herz schlug bis zum Hals und Lea setzte sich schon freudig den Gehörschutz auf. Der Mond war hell genug, nun mussten wir nur noch warten, bis eine Sau breit stand, Lea hatte mit der Wärmebildkamera ebenfalls alles im Blick. Dann war es soweit - einatmen, ausatmen, abdrücken. Der Frischling lag im Knall und Lea rief mir zu „Sie tritt noch, sie tritt noch!“. Ich musste leicht lachen: „Das nennt sich schlägeln. Ich hatte im Gefühl, dass ich gut abgekommen bin, also gut getroffen habe und durch die Reaktion nach dem Schuss kann man auch ca einschätzen, wo man getroffen hat. Wahrscheinlich habe ich das Herz und/ oder die Lunge getroffen. Keine Sorge, das Schwein ist tot. Wir lassen ihm jetzt 5 min Ruhe und packen schonmal unsere Sachen zusammen. So lange müssen wir die Sau aber weiter im Blick haben.“ Ich entlud meine Waffe und wir baumten ab. Wir traten an das Stück heran und ich erklärte ihr, dass das Blut von uns Jägern „Schweiß“ genannt wird, sobald es außerhalb des Körpers ist. Da es hellrot und schaumig war, konnte ich meine Vermutung bestätigen. Kurze Zeit später kam auch der Revierpächter an. Er begutachtete das erlegte Stück und ging zügig los, um einen Eichenbruch zu holen. Währenddessen erklärte ich Lea, warum er den Bruch über die Einschussstelle mit dem Schweiß des Frischlings ziehen würde und ich mir jenen Bruch an den Hut stecken würde. Nach einem schnellen Erinnerungsfoto war der Revierpächter schon mit seinem Auto vorgefahren und wir luden die Sau in die Wildwanne im Auto. Auf dem Hof angekommen rief ich erstmal meine Eltern an, damit sich keiner wunderte, warum ich nicht nach Hause komme. Anschließend ging es direkt in die Aufbruchkammer, die gerade erst fertiggestellt worden war.
Beim Aufbrechen sah Lea zwar zu, herangetraut hat sie sich jedoch nicht. „Beim nächsten Mal“, versicherte sie mir.
Als die Sau in der Kühlkammer hing, fuhren wir zu mir nach Hause, sodass ich mich umziehen und die Waffe wegbringen konnte. Bei einem Jägermeister ließen wir den Abend nochmal Revue passieren. Bis zu ihrem eigenen Jagdschein dauert es wahrscheinlich noch, aber bei der nächsten Drückjagd ist Lea sicherlich als Treiberin dabei.
Von Theresa von Loh