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Frage-und-Antwort-Papier zum Wolf
Der Wolf polarisiert. Die Rückkehr des Wolfes hat vielfach positive Emotionen geweckt. Aus der Ferne betrachtet tendieren viele Menschen zu einer gewissen Euphorie. Anderseits führt die Rückkehr zu immer mehr Konflikten im ländlichen Raum.
Nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) sowie der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) umfasste der Wolfsbestand im Monitoringjahr 2019/2020 128 Rudel, 35 Paare und 10 territoriale Einzeltiere. Die durch den Wolf am häufigsten besiedelten Bundesländer sind Brandenburg, Sachsen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Das Wachstum der Population betrug im Zeitraum 2000 – 2015 jährlich 36 Prozent. Dabei gibt es große regionale Unterschiede (Reinhardt et al. 2021). Pro Wolfsrudel leben europaweit durchschnittlich etwa 8 Tiere. Nach Schätzungen des DJV werden im Frühsommer 2021 insgesamt etwa 2.000 Wölfe in Deutschland leben.
Die Übergriffe auf Nutztiere haben in den vergangenen 13 Jahren rasant zugenommen. Waren es im Jahr 2007 etwa 30 Fälle, ist die Zahl im Jahr 2019 auf 887 Fälle gestiegen. Die meisten Übergriffe fanden in Niedersachsen (192), Brandenburg (167), Schleswig-Hol- stein (136) und Sachsen (135) statt. Im Jahr 2007 hatten Wölfe etwa 100 Nutztiere verletzt oder getötet, 2016 wurde die Grenze von 1.000 erstmals überschritten, 2019 stieg die Zahl auf 2.894 Nutztiere. Dabei handelt es sich bei 88% der Tiere um Schafe oder Ziegen, bei 7% um Gehegewild und bei 4% um Rinder, vereinzelt auch Pferde (DBBW 2020).
Die Mindesthöhe für einen wolfssicheren Zaun ist von 1,20 auf 1,40 Meter erhöht worden. Doch auch diese Zaunhöhe haben Wölfe bereits übersprungen. Kritiker äußern, dass eine stufenweise Erhöhung der Zäune eher einen Trainingseffekt für die physisch robusten und intelligenten Wölfe darstellt.
Wie Zäune tatsächlich gebaut werden müssen, damit Wölfe sie nicht überwinden können, zeigt das Gutachten des Bundeslandwirtschaftsministeriums über Mindestanforderungen zur Haltung von Säugetieren (2014), etwa in Zoos. Es empfiehlt für Hundeartige wie den Wolf: "Es sind Umzäunung mit Überhang nach innen, auch glatte Wände bzw. Gräben mög- lich. Vor allem kleine Arten, wie Füchse und Schakale, aber auch Wölfe, wenn sie Kämpfen ausweichen wollen, klettern und springen äußerst hoch (bis zu 2,80 Meter). Fast alle Arten graben, deshalb sind die Umzäunung bzw. Wände mit Fundament und Untergrabschutz von mindestens 60 Zentimeter Tiefe zu versehen."
Säugetiergutachten vom BMEL (7. Mai 2014), Kapitel 21.5 Hunde (S. 186) - Hinweise zu Gehegen:
Mit einem Zuwachs der Wolfspopulation von über 30 Prozent pro Jahr nehmen die Konflikte zu. Das Naturschutzrecht ist als reines Schutzrecht konzipiert, da geht es nur ganz am Rande um die Lösung von Konflikten. Das Jagdrecht hingegen ist von seiner Grund- konzeption sowohl Schutzrecht als auch Instrument zur Lösung von Konflikten und zum Ausgleich von Interessen. Mit dem Wolf im Jagdrecht wird eine Grundlage ge- schaffen, um bundesweit gültige Managementmaßnahmen auf Basis des Koalitionsvertrages der Bundesregierung zu erarbeiten. Wenn es um die "Entnahme" von Wölfen geht, ist das Jagdrecht das bessere Instrument. Jedenfalls, sofern es nicht nur um besondere Einzelfälle geht.
Es ist wichtig, einen vernünftigen Umgang mit dem Wolf zu finden, insbesondere um die Akzeptanz in der Gesellschaft zu erhalten. Neben Herdenschutzmaßnahmen und Entschädi- gungszahlungen für Nutztierhalter wird dabei mittelfristig auch eine Entnahme eine Rolle spielen. Dafür sind die Jäger prädestiniert, denn nur sie sind flächendeckend vertreten, haben nötige Ortskenntnis, richtige Ausrüstung und Ausbildung. Der DJV lehnt Vorstöße wie in Südwestdeutschland ab, über Behörden bewaffnete Eingreiftrupps installieren zu wollen. Nur wenn der Jagdausübungsberechtigte notwendige Managementmaßnahmen nicht umsetzen kann oder möchte, sollten Behörden eingreifen können.
Auch Arten aus Anhang IV der FFH-Richtlinie und solche, die nicht im "günstigen Erhalt- ungszustand" sind, können ins Jagdrecht aufgenommen werden. Sie können allerdings keine Jagdzeit bekommen. Die FFH-Richtlinie schreibt nur ein bestimmtes Schutzniveau vor - wie die Mitgliedsstaaten dies umsetzen bleibt ihnen überlassen. Einige Arten, die in Anhang IV der FFH-Richtlinie gelistet sind und keinen "günstigen Erhaltungszustand" haben, unter- liegen in Deutschland bereits dem Jagdrecht, etwa Luchs, Wisent, Wildkatze oder Fisch- otter. Das ist europarechtlich zulässig, solange sie keine Jagdzeit bekommen.
Auch bei Anhang-IV-Arten können Ausnahmen vom strengen Schutz gemacht werden. Die Gründe dafür sind in Art. 16 der FFH-RL festgelegt. Dazu gehören insbe- sondere die Sicherheit des Menschen, der Schutz von Nutztieren und die Abwehr von ernsten wirtschaftlichen Schäden. Voraussetzung ist, dass der „günstige Erhaltungszustand“ nicht beeinträchtigt wird. Sofern dieser noch nicht erreicht ist, darf die Ausnahme das Erreichen des günstigen Erhaltungszustandes nicht verhindern.
Von den Ausnahmemöglichkeiten können die EU-Mitgliedsstaaten Gebrauch machen, sie müssen es aber nicht. So hat Deutschland im Bundesnaturschutzgesetz (§ 45 Abs. 7) lediglich vier der fünf Ausnahmetatbestände umgesetzt. Der fünfte – die selektive und streng kontrollierte Entnahme von einzelnen Exemplaren, ohne dass damit Schäden ver- hindert werden – ist in Deutschland nicht umgesetzt. Eine solche Ausnahme müsste in Deutschland konsequenterweise im Jagdrecht umgesetzt werden. Das Naturschutzrecht ist von seiner Konzeption her ein Schutzrecht, während das Jagdrecht von vorneherein stärker auf die Regelung von Konflikten und den Ausgleich von Interessen ausgerichtet ist.
Der günstige Erhaltungszustand einer Art ist in der europäischen Fauna-Flora-Habitat- Richtlinie (FFH-RL) definiert. Man versteht darunter die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Population der betreffenden Art in einem bestimmten Gebiet auswirken können. Die Kriterien dafür sind in Art. 1 Buchst. i der FFH-Richtlinie genannt. Eine Art soll demnach langfristig überleben können, das Verbreitungsgebiet soll nicht kleiner werden und der Lebensraum ausreichend groß sein.
Die Feststellung, ob diese Kriterien erfüllt sind, orientiert sich an wildbiologischen Erkennt- nissen. Gemäß des im Auftrag der EU-Kommission erarbeiteten Leitfadens der LCIE (2008) reichen 1.000 erwachsene Tiere für einen "günstigen Erhaltungszustand" einer isolierten Population aus. Bei einer Population, die im genetischen Austausch mit anderen Popula- tionen steht, gilt eine Grenze von 250 Tieren. Ländergrenzen, die Grenzen der EU-Mit- gliedsstaaten oder biogeographische Regionen spielen dabei keine Rolle.
Über die Entwicklung der einzelnen Arten (Tiere und Pflanzen) und Lebensräume müssen die EU-Mitgliedsstaaten der Kommission alle sechs Jahre Bericht erstatten. Diese Berichte dienen dazu, sich einen Überblick zu verschaffen, wie die europäischen Naturschutzricht- linien wirken und wie sich Arten und Lebensräume entwickeln. Für die Entscheidung über Ausnahmen vom strengen Schutz muss der günstige Erhaltungszustand aber sehr viel häufiger (nämlich immer dann, wenn es darauf ankommt, z.B. weil ein Wolf entnommen werden soll) festgestellt werden. Zuständig sind dafür die Behörden der einzelnen Bundes- länder, auch wenn es sich beim Bundesnaturschutzgesetz um Bundesrecht handelt und damit europäisches Recht umgesetzt wird.
Wir fordern eine Statusänderung von Anhang IV „streng geschützt“ zu Anhang V „bedingt geschützt“, mit der Möglichkeit des Verwaltungshandelns. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass jeder Jäger Wölfe jagen kann. Auch bei Anhang-V-Arten muss der günstige Er- haltungszustand gewahrt bleiben. Aber wir müssen den derzeitigen sehr schnell verlaufen- den Veränderungen Rechnung tragen: Die Anzahl der in Deutschland lebenden Wölfe und Wolfsrudel nimmt kontinuierlich zu, dies ist seit Jahren ein sehr dynamischer Prozess.
Wölfe breiten sich auch in anderen europäischen Ländern immer mehr aus.
Wir wollen für die Zukunft vorbereitet sein. Unser Land ist dicht besiedelt. Begegnun- gen zwischen Menschen und Wölfen werden immer wahrscheinlicher, die Konflikte nehmen zu. Wer dogmatisch - trotz valider Datengrundlage - am Anhang IV klammert, der setzt die Akzeptanz im ländlichen Raum aufs Spiel. Die Praxis im Umgang mit anderen Tierarten, wie Biber oder Kormoran, die sich ebenfalls ausbreiten und dadurch zu vermehrten Problemen führen, hat gezeigt, dass ein frühzeitiges Handeln notwendig ist.
Nach unserer Auffassung erfüllt der Wolf nicht mehr die Kriterien für die Aufnahme in Anhang IV der FFH-Richtlinie, die in Art. 1 Buchst. g der FFH-Richtlinie niedergelegt sind. Das Bundesamt für Naturschutz sieht das allerdings anders.
Mit dem Konzept, das unter wissenschaftlicher Beratung von Prof. Dr. Dr. Sven Herzog (Universität Dresden) entstanden ist, möchte das Aktionsbündnis den berechtigten Forder- ungen von Grundeigentümern und Landnutzern zum Wolf mehr Gewicht verleihen.
Demnach ist das Wolfsvorkommen in Deutschland Teil einer baltisch-osteuropäischen Population mit mittlerweile mehr als 8.500 Individuen, deren günstiger Erhaltungszustand zweifelsfrei gesichert ist. Die Verbände regen ein aktives Bestandsmanagement nach dem Vorbild der skandinavischen oder französischen Schutzjagd an.
Basis für das aktive Bestandsmanagement ist eine wildökologische Raumplanung in drei Kategorien:
- In Wolfsschutzarealen soll sich der Wolf unbeeinflusst entwickeln können, etwa in großen Waldgebieten, auf Truppenübungsplätzen oder großen Schutzgebieten mit geringer menschlicher Besiedlung und extensiver Weidetierhaltung.
- In Wolfsmanagementarealen soll der Wolf grundsätzlich toleriert sein, seine Bestände aber auf Basis der individuellen Akzeptanzgrenzen in den Ländern reduziert werden.
- In Wolfsausschlussarealen sollen territoriale Wolfsrudel nicht toleriert werden, insbesondere in Hinblick auf die Gefahrenabwehr. Dazu gehören urban geprägte Bereiche, Gebiete mit Weidetierhaltung (inklusive Deiche) oder der alpine Raum.
Grundlage des Managements ist ein vorab festgelegter Akzeptanzbestand: Die einzelnen Bundesländer sollen ihren individuellen Beitrag zum günstigen Erhaltungszustand der europäischen Wolfspopulation leisten und zugleich eine Grenze definieren, die eine natur- schutzfachlich dringend notwendige Weidetierwirtschaft weiterhin garantiert.
Schäden durch Wolfsrisse müssten auch bei einer Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht nicht gezahlt werden, weder vom Jagdpächter noch von der Jagdgenossenschaft. Denn Wild- schadensersatz gibt es nur für Schäden an Grundstücken (einschließlich der darauf wachs- enden Pflanzen), aber nicht für gerissene Weidetiere. Und außerdem sind Grundstück- schäden gar nicht bei allen Wildtieren ersatzpflichtig, sondern nur bei denen, die ausdrück- lich genannt sind: Schalenwild, Wildkaninchen und Fasanen. Die Rückkehr des Wolfes ist in erster Linie ein gesellschaftliches Anliegen. Daher sollten Weidetierhalter aus öffentlichen Mitteln entschädigt werden.
Die fortschreitende Wiederbesiedlung Deutschlands zeigt uns, dass der Wolf in unserer Kulturlandschaft bestens zurecht kommt. Als Habitatgeneralist findet er hier Lebensraum und ausreichend Beute. Die Frage ist nicht, ob er artgerecht in der Kulturlandschaft leben kann, sondern ob er die Akzeptanz der Bevölkerung findet. Der Wolf muss lernen, sich von Menschen und Nutztieren fern zu halten.
Durch das Fehlverhalten von Menschen (z.B. Fütterung) werden Wildtiere in Siedlungsnähe gelockt und gewöhnen sich an den Menschen. Das muss unbedingt vermieden werden.
Der Wolf ist extrem anpassungsfähig, hat keine natürliche Scheu vor dem Menschen, keine natürlichen Feinde und in Deutschland eine ausreichende Nahrungsgrundlage. Das dichte Straßennetz führt allerdings dazu, dass der Straßenverkehr für Wölfe in Deutschland die häufigste Todesursache ist.
Wenn wir es zulassen, wird der Wolf vermutlich jegliche Räume wieder besiedeln. Dies bestätigt auch eine aktuelle Studie zum Habitatpotenzial in Deutschland (Kramer-Schadt et al. 2020). Der Wolf ist eine neugierige Art, er testet seine Grenzen aus. Es ist kein Zufall, dass der Wolf immer wieder auch nachts in Städten gesichtet werden kann. Dieses Verhalten wird jedoch von der Bevölkerung nicht akzeptiert.
Der DJV verurteilt das illegale Töten von Wölfen und distanziert sich ausdrücklich von schwarzen Schafen. Leider erlangen diese Ausnahmen die größte Aufmerksamkeit.
Wirksame und durchführbare Lösungen gibt es derzeit noch nicht, es gibt ein Pilotprojekt in Schleswig-Holstein. Schäferverbände gehen davon aus, dass sich Deichschafe grundsätz- lich vor Wölfen schützen lassen, wenn genügend Geld für Personal und Sachmittel zur Verfügung steht. Dann müssten sich allerdings auch die Bewirtschaftungsformen ändern: So müsste tagsüber eine Behütung der Schafe, ggf. auch mit Herdenschutzhunden, statt- finden und nachts jeweils eine Einpferchung. Problematisch könnte das Verhalten von Herdenschutzhunden in Deichbereichen sein, die auch touristisch genutzt werden. Bei den Almen ist die Situation noch anspruchsvoller.
Im Februar 2020 ist nach monatelangem Streit in der Koalition die Novelle des Bundes- naturschutzgesetzes in Kraft getreten. Sie beinhaltet eine Erleichterung der Entnahme von auffälligen Wölfen sowie Regelungen bei der Mitwirkung von Jagdausübungs- berechtigten im Falle der Durchführung von zugelassenen Entnahmen. Dies kann im Extremfall den Abschuss eines ganzen Rudels bedeuten, wenngleich jeder Abschuss einzeln genehmigt werden muss. Beschlossen wurden zudem ein Fütterungsverbot für Wölfe sowie die Verpflichtung der Behörden zur Entnahme von Wolfshybriden aus der freien Natur.
Einzelfragen zu der Änderung sind noch umstritten und zum Teil Gegenstand von gericht- lichen Verfahren. Aktuell erarbeiten das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium gemeinsam einen Praxisleitfaden zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen nach dem Bundesnaturschutzgesetz beim Wolf.
Die Novellierung ist aus Sicht des DJV lediglich ein erster Schritt in Richtung eines aktiven Wolfsmanagements. Die Länder haben nun einen etwas weiteren Handlungs- spielraum. Ziel muss es aber sein, den Wolf vom Naturschutzgesetz ins Bundesjagdgesetz zu überführen. Das Jagdrecht ist sowohl ein Schutzrecht als auch ein Instrument zum Ausgleich von Interessen.