Projekt "Mit dem Jäger durchs Jahr"
Als Jugendreferent für die Gemeinde Kupferzell, Jagdscheininhaber und Revierpächter, beobachte ich aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit seit Jahren die zunehmende Entfremdung der Kinder und Jugendlichen von der Natur. Spielekonsolen und PC, sowie das mangelnde Wissen über das, was es in der Natur zu entdecken und erforschen gibt und die fehlenden Möglichkeiten der Kinder und Jugendlichen sich der Natur und den Wildtieren zu nähern sind meiner Erfahrung nach Gründe für diese Entfremdung. Deshalb entschloss ich mich im Jahr 2017/18 ein Projekt für Jugendliche ab 12 Jahren zu starten mit dem Namen: 'Mit dem Jäger durchs Jahr'. In diesem Projekt wollte ich den Jugendlichen aus Kupferzell die Möglichkeit bieten die Natur wieder neu zu erforschen, sowie die vielfältigen Aufgaben und Tätigkeiten eines Jägers kennen zu lernen, um dem Landläufigen Bild über den Jäger als 'schießwütigen und blutrünstigen Killer' wieder ins recht Licht zu rücken. Nach einer Umfrage unter den Jugendlichen im Jugendhaus A-Moll über das Interesse an einem solchen Projekt und dem damit verbundenem Anmeldeprozedere sowie einholen von Einverständniserklärungen der Eltern fanden sich sechs interessierte Jugendliche.
Reviergang mit Spurensuche und Bäume entrinden:
Los ging es mit einer zweitätigen Aktion im Mai. Es stand ein Reviergang in meinem Revier an, wobei wir auf Wildtierspurensuche gingen. Erst einmal sammelten wir, welche Wildtiere es bei uns gibt und wie wir ihre Anwesenheit feststellen können, ohne sie zu Gesicht zu bekommen. Dies setzten wir durch Spurensuche und Bestimmung dieser dann aktiv um. Weiter ging es dann am Nachmittag mit körperlichem Einsatz. Bäume schlagen und entrinden stand auf dem Programm. Aus den entrindeten Stangen sollte im nächsten Schritt ein Hochsitz gebaut und aufgestellt werden, auf dem unsere gemeinsamen Ansitze stattfinden sollten.
Kitzrettung:
Bei unserer zweiten Aktion mussten die Jugendlichen sehr flexibel sein, wie wir Revierpächter eben auch. Der Landwirt informierte mich über die am nächsten Tag bevorstehende Mahd der Wiesen. Somit aktivierte ich die Teilnehmer des Projektes und am Abend trafen wir uns um die Wiesen zu beunruhigen, Wildscheuchen aufzustellen und nach Kitzen zu suchen. Natürlich konnten nicht alle immer so spontan an den Aktionen teilnehmen, was jedoch nicht schlimm war, denn jeder kam zumindest einmal in den Genuss dabei zu sein.
Hochsitzbau:
Während der Pfingstferien startete die nächste größere Aktion. Die entrindeten Stangen waren getrocknet und wir konnten in drei Tagen gemeinsam einen Hochsitz bauen und im Revier aufstellen. Das Untergestell des Hochsitzes bauten wir aufgrund der Logistik im Jugendhaus und stellten ihn dann am dritten Tag gemeinsam im Revier auf. Nun konnten endlich die gemeinsamen Ansitze beginnen.
Gemeinsame Ansitze:
Jeder Jugendliche hatte die Möglichkeit bei zwei Ansitzen am Abend mit dabei zu sein. Diese fanden zumeist an Freitagen statt, da am nächsten Tag keine Schule war und wir meist nicht vor 23:00 Uhr wieder zurück waren. Ich ging immer mit einem der Jugendlichen auf den Ansitz. Während der Ansitze hatten wir Zeit, über das Verhalten der Wildtiere und deren Lebensweise zu sprechen. Alle Eltern sowie die Jugendlichen selbst hatten bei der Anmeldung angeben müssen, ob sie bei der Erlegung eines Wildtieres dabei sein wollen oder nicht. Je nachdem wie diese Entscheidung ausgefallen war richtete ich mich bei den Ansitzen danach. Interessanterweise wollten alle Jugendlichen die Erlegung eines Wildtieres erleben und alle Eltern der Teilnehmer stimmten dem auch schriftlich zu. Leider war es mir jedoch im Beisein eines Jugendlichen nicht möglich einen Bock auf den wir ansaßen zu erlegen. Die gemeinsamen Ansitze zogen sich bis in den September hinein, je nachdem wie die Teilnehmer und ich selbst Zeit hatten.
Wild zerwirken:
Im September hatte ich das Glück, zwei Frischlinge zu erlegen und ich nutze die Gelegenheit gemeinsam mit den Jugendlichen bei einer abendlichen Aktion bei mir zuhause die Frischlinge zu zerlegen und küchenfertig einzuvakuumieren. Für die Jugendlichen war es anfänglich sehr befremdlich, zwei tote Wildtiere vor sich zu haben. Die Berührungshemmungen waren dementsprechend groß. Nachdem die Schwarte abgelöst und die Frischlinge grob zerwirkt waren, fielen die Berührungsängste schlagartig. Fleisch in diesem Zustand kannten sie schon und die weitere Verarbeitung und Portionierung war somit kein Problem für sie. Während der Aktion kamen natürlich auch viele ethische Fragen wie der Umgang mit dem Leben, Massentierhaltung, Fleischkonsum etc. auf, was eine tolle Möglichkeit war, mit den Jugendlichen über diese Themen ins Gespräch zu kommen, sich auszutauschen und Haltungen zu diskutieren.
Entenjagd:
Da ich selbst Revierpächter eines kleinen Niederwildreviers mit Wasser bin, war es natürlich naheliegend die Jugendlichen auch zu einer Entenjagd mitzunehmen um ihnen diese Jagdart zu zeigen. Also organsierte ich eine kleine Entenjagd mit einigen befreundeten Jägern in meinem Revier, welche ich vorher über das Beisein meiner Teilnehmer informierte und diesbezüglich der Sicherheit wegen auch instruierte. Leider stellte sich der geplante Termin im Oktober als schlechte Wahl heraus, da es die Nacht zuvor stark geregnet hatte und der Pegelstand des Flusses stark gestiegen war. Die Jagd war also nur an ruhigen Stellen, mit wenig Strömung möglich und somit sehr begrenzt. Dazu kam noch, dass mich fünf meiner sechs Jugendlichen am Morgen hängen ließen, da sie wohl den Abend zuvor zu heftig gefeiert hatten und die Entenjagd natürlich morgens stattfand. Geplant war immer zwei Jugendliche zusammen treiben zu lassen und die anderen im Wechsel mit den Jägern abzustellen, damit sie bei der Jagd auch direkt dabei sein konnten. Dies war nun natürlich nicht möglich, da nur ein Teilnehmer anwesend war. Somit übernahm ich die Rolle des Treibers um zumindest dem einen Jugendlichen sein frühes Aufstehen zu belohnen. Für Ihn war der Vormittag sehr eindrücklich. Er hatte die volle Aufmerksamkeit der anwesenden Jäger, bekam von jedem einen Crashkurs im Entenjagen und konnte die Wasserarbeit der Hunde erleben. Leider nicht in vollem geplanten Umfang aufgrund des recht hohen Wasserstandes.
Drückjagd:
Ein Teilnehmer des Projektes, welcher sich sehr interessiert zeigte und bei jeder Aktion dabei war wurde bei der Entenjagd von einem befreundeten Jagdfreund auf seine Drückjagd als Zuschauer eingeladen. Da ich diesen Jäger sehr gut kenne und schon selbst bei seinen sehr gut durchorganisierten und auch sicherheitstechnisch tadellosen Drückjagden dabei war, konnte mich nach Rücksprache mit den Eltern dieser Jugendlichen an diesem Tag im November begleiten. Zum ersten Mal in seinem Leben konnte er ein Wildschwein in freier Wildbahn sehen und den Ablauf einer solchen Jagd erleben. Leider war es uns wieder nicht vergönnt, Wild zu erlegen, aber wie heißt es so schön: 'So ist die Jagd'. Ich denke die Teilnehmer des Projektes konnten die Jagd, wie sie wirklich ist zumindest ansatzweise erleben und in Ihren Köpfen wird nicht mehr das Bild des blutrünstigen, auf alles was sich bewegt schießenden, Jägers vorherrschen, sondern ein neuer Blick auf die Natur, die in ihr lebenden Wildtiere und die Aufgabe und Haltung des Jägers in unserer Gesellschaft und der Kulturlandschaft.
Als Treiber bei einer Druckjagd:
Ein Teilnehmer des Projektes, welcher schon zum Zeitpunkt meiner eigenen Drückjagd über 18 Jahre alt war wollte gerne einmal als Treiber bei einer Jagd dabei sein. Diesen Wunsch konnte ich Ihm bei einer revierübergreifenden Drückjagd auf Schwarzwild an dem vier Reviere teilnahmen, unter anderem mein eigenes, erfüllen. An dieser Jagd konnte ich nur diesen einen Teilnehmer mitnehmen und auch als Treiber in der Treiberwehr einsetzen da er 18 Jahre alt war und ich nicht Teil der Treiberwehr sein konnte. Mit erfahrenen Treibern, mit denen ich zuvor gesprochen hatte konnte ich Ihn mit gutem Gewissen in deren Obhut geben. Auch dieser Jugendliche konnte zum ersten Mal in seinem Leben Schwarzwild in freier Wildbahn sehen und die Strapazen, welchen die Treiber ausgesetzt sind, am eigenen Leib spüren. Für ihn war es sehr eindrücklich eine Rotte von ca. 40 Wildschweinen hautnah beim Treiben zu sehen, zu erleben wir schwierig es ist, sie aufzuspüren und auch aus der Deckung heraus zu bekommen. An diesem Tag wurden insgesamt 14 Schwarzkittel erlegt, was eine nie zuvor dagewesene Strecke an Schwarzwild für diese vier Niederwildreviere ist.
Das Kulinarische zuletzt:
Im Februar 2018 sollte das Projekt 'Mit dem Jäger durchs Jahr' seinen Abschluss finden. Ein ehemaliger Besucher des Jugendhauses, der sich gerade in der Lehre zum Koch befindet erklärte sich bereit, uns bei unserem letzten Teil des Projektes zu unterstützen. Wir trafen uns im Jugendhaus, um gemeinsam zu kochen. Unser Menüplan beinhaltete folgendes:
Vorspeise: Blattsalat mit Tomaten und Gurken an feinem Balsamico Dressing
Hauptgang: Wildschweinmedaillons an Pilzrahmsauce, mit selbstgemachten Spätzle
Nachspeise: Schokotörtchen mit flüssigem Kern an Vanilleeis
Um unseren gemeinsamem Abschluss noch offiziell zu machen luden wir den Bürgermeister der Gemeinde Kufperzell, in welcher sich das Jugendhaus befindet, zu unserem Festschmaus als Ehrengast ein, welcher unserer Einladung auch nachkam. Bei einem sehr schön gedeckten Tisch mit Kerzen, Servietten usw. und einem sehr gelungenen Menü konnten die Teilnehmer ihre Erfahrungen und Erlebnisse während des Projektes dem Bürgermeister schildern und von den unterschiedlichen Einsätzen berichten.
Schlusswort:
Es war ein sehr gelungenes Projekt und ich kann allen Jägern, welche die Möglichkeit haben, nur empfehlen, interessierte Menschen mit auf die Jagd zu nehmen oder auch bei anderen Einsätzen einzubinden. Die meisten Menschen haben diese Möglichkeit nicht und können oft nur die von den Medien verbreitete Meinung über die Jagd wiedergeben, da sie es nicht selbst erleben können. Erst wenn die Jägerschaft sich Öffnet und einen Einblick zulässt kann dem verzerrten, schlechten Bild der Jagd das richtige Bild der Jagd entgegengesetzt werden. Die sechs Teilnehmer des Projektes 'Mit dem Jäger durchs Jahr' werden sich zukünftig bei Diskussionen über die Jagd positionieren und berichten, dass sie ein ganz anderes Bild über die Jagd kennen gelernt haben. Vielleicht wird der ein oder andere auch einmal selbst einen Jagdschein besitzen. Sigvard Lenz