Ansitz im Sommer kann jeder
1999. Durch die örtliche Pfadfindertruppe lerne ich die Natur das erste Mal sehr bewusst kennen.
2014. Ich ziehe während des Studiums in eine WG mit Tiermedizinern und passionierten Jägern. Seitdem lässt mich das Thema nicht mehr los. Angespornt vom Teamgeist der Jägerschaft, den spannenden Berichten der Ansitze und zuletzt dem leckeren Endprodukt auf dem Teller, beschäftigte ich mich tiefergehend mit der Jagd.
2018. Ein zweiwöchiger Urlaub in Namibia. Die Jagd in Namibia als essentieller Wirtschaftszweig fasziniert mich. Die Jagd bedeutet hier einmal mehr umsichtiger Bestands- und Naturschutz - sowie natürlich wichtige Nahrungsgrundlage. Der endgültige Entschluss ist gefallen: Ich möchte nicht nur Jäger heißen, sondern auch Jäger werden.
Gesagt getan. Jagdlektüre bestellt, mit befreundeten Jägern telefoniert und durch die Homepage des Deutschen Jagdverbandes gestöbert. Hier stolperte ich über die Imagekampagne 'Gemeinsam Jagd erleben'. Der Kontakt zu Anna war ziemlich schnell hergestellt: Sie würde mich mit zur Jagd nehmen!
November 2018. Anna und ich hatten uns in der Nähe von Berlin verabredet. Das Thermometer zeigte bereits morgens nur 2°C an. Doppelte Lage untenrum, doppelte Lage obenrum. Zusätzlich zwei dicke Pullover, Jacke, Mütze, Schal und Handschuhe. Im Sommer ansitzen kann aber jeder. Wenn einem die Jagd bei Temperaturen um den Nullpunkt gefällt, dann doch erst Recht im Frühjahr und Sommer. Mit einer Thermoskanne voll Tee war es dann auch mindestens zwei Grad wärmer.
Anna sammelte mich am Bahnhof auf und wir fuhren ins Revier. Mit dabei: Annas gut ausgebildeter Hund. In der Nähe des Hochsitzes angekommen, traten wir die letzten Meter zu Fuß an. Der Plan war auf Rehwild und Schwarzwild anzusitzen. Wir richteten uns im Hochsitz ein und beobachteten das vor uns liegende Feld sowie das Waldgebiet links und rechts des Hochsitzes. Auf der Grünfläche konnte man noch Überreste der Rapsernte erkennen. Ansonsten tummelten sich dort alle möglichen Pflanzen und Sträucher. Ein perfekter Unterschlupf für Hase und Co.
Zu Beginn erhielt ich eine kurze 'Sicherheitseinweisung'. Wie muss ich mich verhalten, wenn Anna ein Stück Wild anspricht. Dankenswerterweise wurde ich von ihr noch mit einem Gehörschutz ausgestattet. Wir unterhielten uns über die Jagd. Wieso jagt der Mensch? Wieso gibt es Jagdgegner? Sind deren Einwände berechtigt? Was gibt einem die Jagd? Welche Verantwortung hat man als Jäger und was kann man während des Ansitzes tun? Sollte man Arbeiten, mit dem Smartphone spielen oder nur die Gedanken sortieren?
Während der blauen Stunde genossen wir die Ruhe und fokussierten uns auf möglichen Wildwechsel. Wir sahen Kraniche gen Westen ziehen und einen Raubvogel über das Feld kreisen, währenddessen der Wind direkt im Hochsitz stand. Bitterkalt.
Plötzlich hörte ich Sträucher rascheln. Tatsächlich zeigte sich kurze Zeit später ein Reh, sprang aber schnell wieder in den Wald. Kurz danach konnte man weiteres Wild erahnen. Es könnte ein Fuchs gewesen sein. Frontal stehend zum Wind war aber vermutlich beiden ähnlich kalt wie mir. Ich kann es ihnen also nachsehen, dass sie wieder den Schutz des Waldes gesucht haben.
Gegen 16:45 Uhr sind wird zurück zum Auto gegangen, da es inzwischen ziemlich dunkel geworden war. Das Jagdglück, im Sinne des Erfolges bei der Jagd, war nicht mit uns. Für mich ist Jagdglück aber nicht nur das erfolgreiche zur Strecke bringen des Wildes. Es gehört in Wahrheit doch mehr dazu: Die Natur kennen und lieben lernen. Aktiven Naturschutz betreiben. Dem Wild ein schönes zu Hause zu geben, die Wälder von Müll zu befreien, versuchen die Natur zu lesen. Ebenso geht es um persönliche Entschleunigung, einen Tag Freizeit und Ruhe. Rauskommen. Es geht nicht um Blutrausch, dem Drang des Menschen zu töten und das Recht des Stärkeren durchzusetzen. Für mich geht es darum die Erlebnisse aus 1999 weiterzuführen und die Geschichten mit meinen Freunden aus 2014 zu teilen. Und um genau das zu vermitteln wurde 'Gemeinsam Jagd erleben' initiiert. Ich danke Anna für den tollen Tag. Martin Jäger