DJV-Empfehlungen zur „guten fachlichen Praxis“ bei der Jagd auf Rabenvögel
Die Gruppe der Rabenvögel umfasst 10 Arten in Deutschland: Eichelhäher (Garullus glandarius), Elster (Pica pica), Dohle (Corvus monedula), Saatkrähe (Corvus frugilegus), die eng verwandten Arten Rabenkrähe (Corvus corone) und Nebelkrähe (Corvus cornix), Kolkrabe (Corvus corax) und die im Gebirge lebenden Arten Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes), Alpendohle (Pyrrhocorax graculus) und Alpenkrähe (Pyrrhocorax pyrrhocorax).
In ihrer Sozialstruktur sind Rabenvögel sehr variabel. Die jährliche Brut von durchschnittlich 3 bis 4 Jungvögeln wird von einem Paar aufgezogen, die mitunter eine lebenslange Bindung haben. Sie besetzen ein Revier wie der Kolkrabe oder brüten in Kolonien wie die Saatkrähe. Die Geschlechtsreife wird artbedingt im zweiten oder dritten Lebensjahr erreicht. Nicht brütende Individuen, meist junge Tiere, bilden sogenannte Junggesellentrupps, die noch kein Revier besetzen und zur Nahrungssuche weiträumig unterwegs sind. An ergiebigen Nahrungsquellen wie offenen Müllkippen führt das zu großen Ansammlungen vornehmlich aus Nichtbrütern verschiedener Rabenvogelarten (z. B. Raben- und Saatkrähe, Kolkrabe).
Die Bestände in Deutschland (Zeitraum 2011 bis 2016) und ihre langjährigen Entwicklungen zeigen bei Elster (375.000 bis 550.000) einen gleichbleibenden Trend mit stabilen Beständen, einen ansteigenden Trend für die Arten Nebelkrähe (56.000 bis 78.000), Rabenkrähe (670.000 bis 910.000) und Kolkrabe (20.000 bis 28.000) (Gerlach et al. 2019). Die langfristige Bestandszunahme bei Nebel- und Rabenkrähe lässt sich vornehmlich auf die zunehmende Verstädterung zurückführen: Urbane Bereiche sind Besiedlungsschwerpunkte. Der Kolkrabe konnte nach Einstellung seiner Verfolgung Mitte des 20.Jahrhunderts viele ehemalige Gebiete in Deutschland wiederbesiedeln. Dieser Prozess ist auch heute noch zu beobachten (Gedeon et al. 2014).
Gründe für die Bejagung
Rabenvögel nutzen sowohl pflanzliche als auch tierische Nahrungsquellen und suchen ihr Futter gern im Offenland. Dies kann zu Schäden – vor allem durch Raben- und Saatkrähe – in landwirtschaftlichen Kulturen führen, wenn beispielsweise gesäte Getreidekörner, aufgelaufene Saat oder junge Salatpflanzen gefressen werden. Ebenso hacken Rabenvögel Silageballen auf, um an Fressbares zu gelangen. Krähen scheuen sich auch nicht, in den Stall zu fliegen, um sich am Futter für Nutztiere zu bedienen, womit dieses durch Eintrag des Vogelkots verunreinigt wird. Darüber hinaus sind Rabenvögel als Allesfresser Gelegeräuber. Zudem können Rabenvögel für Junghasen und Jungvögel zur Gefahr werden. Für bestandsgefährdete Arten wie Kiebitz, Wachtel und Rebhuhn wird der Prädationsdruck zu hoch, wenn neben bodenlebenden Raubsäugern zusätzlich fliegende Fressfeinde zu ihrer Reduktion beitragen.
Bejagung
In der EU-Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG) sind Rabenvögel im Anhang II gelistet und können außerhalb ihrer Brut- und Aufzuchtzeiten bejagt werden. Allerdings dürfen damit ihre Bestände nicht gefährdet werden.
Nach Bundesjagdgesetz unterliegt der Kolkrabe mit ganzjähriger Schonzeit dem Jagdrecht. In vielen Bundesländern werden Rabenkrähe, Nebelkrähe und Elster nach Landesrecht bejagt: ab August bzw. Oktober bis Januar bzw. Februar (in Hessen bis 31.12., in Nordrhein-Westfalen bis 10.3.). Vor einer Bejagung muss man sich grundsätzlich über die aktuellen jagdrechtlichen Vorgaben im betreffenden Bundesland informieren.
Der Anteil an unerfahrenen Jungvögeln und die während der Schonzeit entwickelte Vertrautheit der Rabenvögel beschert zu Beginn der Jagdzeit einen höheren Streckenanteil. Andererseits sollte mit Blick auf die Brut- und Aufzuchtzeit von Bodenbrütern, Singvögeln und Niederwild insbesondere im ausgehenden Winter der lokale Rabenvogelbestand ausgedünnt werden.
Rabenvögel sind sehr lern- und anpassungsfähig, was sie befähigt, schnell ergiebige Nahrungsquellen zu finden. Das Beobachten von zielgerichtet fliegenden Artgenossen weist anderen Individuen den Weg. Diese Eigenschaft macht man sich in der sogenannten Lockjagd zunutze. Allerdings ist eine sorgfältige Vorbereitung und professionelle Durchführung essenziell, um einen hohen Jagderfolg zu erzielen.
Darüber hinaus können Krähen und Elstern auch im Einzelabschuss mit der „kleinen Kugel“ (z.B. 22lfb) erlegt werden.
Standplatzwahl und Tarnung
Zur Wahl eines geeigneten Platzes für den Aufbau eines Lockbildes und des Ansitzschirms sollten die aktuellen Flugrouten, Schlaf- und Futterplätze bekannt sein. Ideal sind Flächen, die in den Vortagen vermehrt angeflogen wurden (umgebrochene Äcker, gemähte Wiesen, Stoppeläcker mit ausgebrachten Stallmist u. ä.) und in deren Nähe sich Baumgruppen, Hecken oder mit Gehölz durchsetzte Schilfsäume befinden, in denen sich Ansitzschirme gut verbergen lassen. Mit höhenverstellbaren Teleskopstangen (es eignen sich auch alte Angelruten), einem Nylon-Leichttarnnetz (Empfehlung: 5 m x 1,60 m), das mit handelsüblichen Leimzwingen fixiert wird, lässt sich ein an die Umgebung angepasster Ansitzschirm ohne Abdeckung zum Himmel errichten. Da Krähen über einen sehr guten optischen Sinn verfügen, ist zusätzlich eine gute Tarnkleidung der Jäger (Camouflageanzüge) mit entsprechender Kopfbedeckung für den Jagderfolg wichtig.
Krähen fliegen am liebsten gegen den Wind an. Der Standplatz für den Ansitzschirm sollte demnach so gewählt werden, dass man den Wind im Rücken hat. So wird vermieden, dass die anfliegenden Vögel den Tarnstand entdecken.
Aufbau des Lockbildes
Der Aufbau eines sogenannten freundlichen Lockbildes mit Krähenattrappen (imitiert nahrungssuchende Krähen) muss für den Frühansitz in der Dunkelheit geschehen oder früh genug vor dem Abendansitz, bevor umherstreifende Krähen das Aufstellen der Attrappen beobachten können. Gegenüber Kunststoffkrähen sind „beflockte“ oder „besockte“ Lockkrähen vorzuziehen, da sie durch den filzartigen schwarzen Überzug natürlicher wirken und eine bessere Lockwirkung erzielen. Die Boden-Lockkrähen sollten nicht in einer bestimmten Anordnung aufgestellt, sondern zufällig verteilt werden, damit das Lockbild realistisch wirkt. Eine größere Anzahl von Attrappen täuscht eine ergiebige Nahrungsquelle vor und übt damit eine starke Anziehung auf Krähen aus. An Flächen, die gern von Krähen angeflogen werden, können randständige Bäume und Gebüsche zusätzlich zur Platzierung von Wächterkrähen-Attrappen genutzt werden, um Vertrautheit zu schaffen und Krähen zum Anfliegen zu verleiten. Mit zusammensteckbaren Aluminiumstangen und Lifthaken können die „Wächterkrähen“ in Höhen bis zu zehn Meter in den Bäumen angebracht werden.
Die Anziehung des Lockbildes basiert auf der Neugierde und dem Futterneid der anfliegenden Krähen. Das Lockbild muss natürlich wirken, weshalb sich z. B. Witterungen mit Reifbildung nicht eignen, da sich dieser auch auf den Attrappen niederschlägt. Der Krähenmagnet oder drehbar beflockte Krähen sind bewegliche Lockvögel, die fressende Krähen imitieren. Da die Tiere als gute Beobachter bei gleichförmigen Bewegungen vorsichtig werden, sollte der Krähenmagnet – sofern er nach Landesjagdrecht zugelassen ist – nicht zu oft eingesetzt werden. Das aufgebaute Lockbild sollte zum einen dem Sicherheitsbedürfnis der Krähen genügen, zum anderen muss der Tarnschirm in optimaler Schussentfernung (ca. 15 bis 20 m) stehen.
Akustische Krähenlocker
Das Nachahmen von Rufen dient dazu, Krähen auf Schrotschussentfernung anzulocken. Dabei dürfen nur Mundlocker und von Hand bediente Krähenlocker eingesetzt werden. Nach Bundesjagdgesetz § 19, 5a (Sachliche Verbote) sind elektronische Lockgeräte verboten.
Der Einsatz von Lockrufen ist situationsbedingt und kann insbesondere bei schlechtem Wetter helfen. Auch bei fortgeschrittenem Jagdjahr, wenn die Krähen schon Erfahrungen durch die Bejagung gesammelt haben, können Lockrufe den Jagderfolg fördern. Am Frühansitz werden durch ein- bis zweimalige Lockrufe Krähen zum Zustehen bewegt. Mit gezielten Lockrufen können auch abstreichende Krähen noch einmal „zurückgeholt“ werden. Rufe dienen dazu, das Lockbild vertrauter zu machen. Die Reaktion der anfliegenden oder aufgebaumten Krähen auf die Lautäußerungen sollte aber immer gut beobachtet werden. Die Art des Lockrufs (Futter-, Sammel-, Klageruf) muss an die Krähen angepasst sein.
Waffe, Munition, Gehörschutz
Gegenüber doppelläufigen Flinten bieten Selbstladeflinten den Vorteil, dass schnell ein dritter Schuss möglich ist. Das leichtere und sichere Nachladen im engen Ansitzschirm ist ebenso von Vorteil. Schrotpatronen im Kaliber von 2,5 bis 3 mm sind für die Krähenjagd geeignet, als optimal hat sich 2,7 mm erwiesen. Ein Vorlagegewicht von 32 Gramm ist ausreichend. Die Deckung der Schrote ist entscheidend. Deshalb sollte man seine Flinte daraufhin überprüfen, indem einige Schüsse auf eine Anschussscheibe mit aufgemalter Krähe abgegeben werden. Für eng gebohrte Flinten (Halb- und Vollchoke) sind Streupatronen am besten geeignet.
Bei den meist hohen Schusszahlen ist die Verwendung eines aktiven Gehörschutzes unbedingt empfehlenswert und gegebenenfalls eine Information an die Anwohner am Tag vor der Rabenvogeljagd.
Jagdhund
Für die Krähenjagd ist ein brauchbarer Jagdhund ein unentbehrlicher Helfer. Das bedeutet nicht nur, dass der Hund die entsprechende Prüfung abgelegt hat, sondern die erforderliche Apportierarbeit wirklich gut leistet. Der apportierende Jagdhund wird von Krähen weniger als störend empfunden und zudem wird dadurch die Verknüpfung „Lockbild und Mensch“ vermieden.
Alle Vorstehhunde sind grundsätzlich für das Verlorenbringen gut geeignet. Wichtige Eigenschaften des Hundes für die Krähenjagd sind ein hohes Maß an Standruhe, Raubwildschärfe beim Umgang mit geflügelten Krähen und sicheres Verlorenbringen. Ein Spalt von ca. 25 Zentimeter zwischen der Unterkante des Tarnnetzes und dem Boden ermöglicht dem Hund ein schnelles Apportieren.
Zum Schutz des empfindlichen Hundegehörs bei der Lockjagd mit vielen Schrotschüssen aus nächster Nähe sollte der Hund mit einem Hundegehörschutz ausgerüstet und/oder in einem separaten Hundeschirm abgelegt werden. Bei kühler und feuchter Witterung wird der Hund vor Auskühlung effektiv mit einer Neoprenweste geschützt.
In vielen Bundesländern ist ein brauchbarer und geprüfter Jagdhund bei der Jagd auf Federwild vorgeschrieben!
Krähenjagd mit Beizvogel
Neben der Bejagung mit der Schusswaffe kann auch die Beizjagd auf Rabenvögel effektiv ausgeübt werden. Zum Einsatz kommen Habicht, Sperber und Amerikanischer Wüstenbussard (Kurzstreckenjäger) oder Wander-, Ger- und Sakerfalke (Langstreckenjäger). Die Beizjagd wird mit den Falken aus dem sog. „Anwarten“ auf Krähenschwärme ausgeübt, d. h., dass der Falke hoch über einer Deckung auf sich dort drückende Rabenvögel Scheinangriffe fliegt und wartet, bis der Falkner das Beizwild zur Flucht in den freien Luftraum bewegt und der Falke seine Beute „binden“, d. h., fangen kann. Kurzstreckenjäger wie der Habicht jagen einzelne, sitzende Krähen und Elstern an und überwältigen diese unter Ausnutzung jeder natürlichen Deckung meist am Boden. Die für die Rabenvogelbeize eingesetzten Beizvögel sind ausgesprochene Spezialisten in Bezug auf ihr zugedachtes Wild und in der Lage, hohe jährliche Gesamtstrecken zu erzielen. Das anfallende Wild wird vollumfänglich zur Ernährung des Beizvogels genutzt.
Rabenvögel sind sehr intelligent und lernfähig. Daher ist es ratsam, die Reviere nicht zu oft mit dem Beizvogel oder der Flinte zu bejagen, da sie sonst in die Nachbarreviere abwandern und der Jagderfolg gemindert wird.
Verwertung
Die Verwertung von Flugwild kennen viele nur im Zusammenhang mit Fasan, Taube oder Enten. Aber auch Rabenvögel haben Brustfilets, die in verschiedener Weise schmackhaft zubereitet werden können.
Allerdings konsumieren Rabenvögel als Allesfresser auch Fleisch und sind damit potenziell Träger von Trichinen. Deshalb müssen sie gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 1375/2015 der Kommission vom 10.8.2015 vor dem Verzehr einer Beprobung unterzogen werden.
Generell sollte Wildgeflügel für mindestens fünf Minuten auf eine Kerntemperatur von 70 Grad erhitzt werden, um eine Keimbelastung auszuschließen.
Quellen:
Durchführungsverordnung (EU) 2015/1375 der Kommission vom 10.08.2015 mit spezifischen Vorschriften für die amtlichen Fleischuntersuchungen auf Trichinen (Kodifizierter Text); online abgerufen am 21.10.2020 unter: www.3drei3.de/3tres3_common/art/de/973/fitxers/20150810-Fleischuntersuchungen%20auf%20Trichinen.pdf
Gedeon K.; C. Grüneberg; A. Mitschke; C. Sudfeldt; W. Eikhorst; S. Fischer; M. Flade; S. Frick; I. Geiersberger; B. Koop; M. Kramer; T. Krüger; N. Roth; T. Ryslavy; S. Stübing; S.R. Sudmann; R. Steffens; F. Vökler und K. Witt (2014): Atlas deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten, Münster.
Gerlach, B., R. Dröschmeister, T. Langgemach, K. Borkenhagen, M. Busch, M. Hauswirth, T. Heinicke, J. Kamp, J. Karthäuser, C. König, N. Markones, N. Prior, S. Trautmann, J. Wahl & C. Sudfeldt (2019): Vögel in Deutschland – Übersichten zur Bestandssituation. DDA, BfN, LAG VSW, Münster
Landesjägerschaft Niedersachsen (Hrsg.): Effektive Krähenjagd – Tipps und Tricks für die Lockjagd auf Krähen (Faltblatt)
Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (kodifizierte Fassung); online aufgerufen am 20.10.2020 unter: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:020:0007:0025:DE:PDF