DJV-Position zu Photovoltaik-Freiflächenanlagen, Wildtiere und Jagd
Der vom Menschen verursachte Klimawandel und der Verlust an Biodiversität stellen die Gesellschaft aktuell und künftig vor große Herausforderungen. Auf dem Weg zur Klimaneutralität bis spätestens 2045 beabsichtigt die Bundesregierung den Ausbau der Erneuerbaren Energien drastisch zu beschleunigen. So wird künftig neben der Windenergie insbesondere der Solarenergie eine besondere Bedeutung zukommen. Als deren Ausbauziel für 2030 visiert die Bundesregierung eine installierte Photovoltaik-Leistung von 215 Gigawatt an – fast eine Verdreifachung der heutigen Leistung bei einer angenommenen Flächeninanspruchnahme von bis zu 70.000 Hektar. Insofern öffnet sich hier ein lukratives Geschäftsfeld für Großinvestoren, wobei bereits Anlagen von 250 Hektar und mehr geplant sind.
Jede Errichtung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA) geht mit Veränderungen für die Natur, die Biodiversität und das Landschaftsbild einher, Flächen für Nahrungs- bzw. Futtermittelproduktion werden in Anspruch genommen. Eine naturverträgliche Standortwahl spielt eine entscheidende Rolle. Daher ist stets vorrangig zu prüfen, ob derartige Anlagen auch siedlungs- bzw. verkehrsflächenintegriert oder gebäudegebunden errichtet werden können bzw. wo diese zur Pflicht werden sollten, um ihre Auswirkungen auf Landschaft und Tierwelt zu minimieren. Die Begrenzung der Wirkleistung von privaten Solaranlagen (s. § 9 EEG 2021) sollte gestrichen werden.
Der Deutsche Jagdverband erkennt die dringende Notwendigkeit des Klimaschutzes und des Ausbaus regenerativer Energiequellen an. Er ist sich der Bedeutung und der Konfliktträchtigkeit der Handlungsfelder bewusst, auch weil in vielen Bereichen Wildtiere und ihre Lebensräume direkt oder indirekt betroffen sind. Zu berücksichtigen ist, dass Solaranlagen eine sehr hohe Energieeffizienz besitzen; mit ihnen können pro Hektar 40-mal mehr Energie erzeugt werden als mit einer Biogasanlage. Klimaschutz, Biodiversitätsschutz und Ernährungssicherung dürfen nicht separat betrachtet und gegeneinander ausgespielt werden. Dies bedingt auch, dass technischen Weiterentwicklungen der Sonnenkollektoren Rechnung getragen wird (z.B. Bifaziale Module). Damit ist sichergestellt, dass möglichst viel Energie pro verbauter Fläche erzeugt wird.
Um Natur- und Klimaschutz zu vereinbaren, fordert der DJV Politik, Planungs- und Genehmigungsbehörden dazu auf, PV-FFA wildtierfreundlich zu planen, zu errichten und zu gestalten. Dies schließt auch den Rückbau mit ein. Naturschutzfachlich sinnvoll gestaltet können PV-FFA zur Sicherung der biologischen Vielfalt in der Kulturlandschaft beitragen. Letztlich bedarf es der Einführung gesetzlicher Standards für die Planung und Genehmigung großflächiger PV-FFA. Diese sollten auch eine Wildbiologische Begleitplanung beinhalten. Entsprechende Standards führen zu mehr Planungssicherheit und zu einer Vereinfachung der Verwaltungspraxis. Die dadurch erzielte Verfahrensbeschleunigung darf jedoch nicht zu Lasten des Artenschutzes sowie des Biotopverbundes gehen.
Naturschutzfachliche Anforderungen an die Errichtung von PV-FFA
Ziel muss es sein, dass bei der Errichtung von PV-FFA der Naturraum und seine ökologische Funktion erhalten bleiben oder aufgewertet werden und Ausschlussgebiete eingehalten werden. So sind Schutzgebiete des Naturschutzrechts (wie z.B. Nationalparke, Natura 2000-Gebiete, Naturschutzgebiete, Flächen des Biotopverbundsystems, Bannwälder, Dauergrünland auf Moor- und Anmoorböden, bestimmte Wasserflächen) für PV-FFA tabu. Idealerweise erfolgt auf Landesebene, bspw. im Rahmen der Erstellung von Regionalplänen, die Festlegung von Eignungsflächen für PV-FFA. Dies kann auch für wiedervernässte Moorböden gelten. Die Jägerschaft sollte, wie bei anderen Beteiligungsprozessen auch, aktiv eingebunden werden.
Solarparks sollten primär auf bereits versiegelten oder vorbelasteten Flächen (z.B. Gebäudedächern, Parkplätzen, entlang von Autobahnen oder Schienenwegen), Konversionsflächen oder auch intensiv genutzten Ackerflächen errichtet werden. Hier besteht im Allgemeinen ein hohes Potential für die ökologische Aufwertung. Der bisher nach EEG vorgeschriebene Abstand von 15 m zwischen der Verkehrsinfrastruktur und der PV-FFA ist auf mindestens 50 m breite Wildlebensräume mit Deckung zu erhöhen. In Verbindung mit Querungshilfen/Grünbrücken können so wertvolle Vernetzungsstrukturen entstehen.
- Erhaltung von Wanderkorridoren
Die Grundstücke der PV-FFA werden i.d.R. aus versicherungstechnischen Gründen eingezäunt (Schutz vor Vandalismus/Diebstahl oder zum Zwecke der Nutztierhaltung). Somit entstehen in der freien Landschaft Barrieren für größere Säugetiere, welche auch den Lebensraum von Wildtieren beschränken, letztlich auch die bejagbare Fläche des jeweiligen Revieres. Fernwechsel bzw. starke Wildwechsel sind durch Kartierung und/oder eine qualifizierte Befragung des Jagdausübungsberechtigten zu ermitteln. Sie müssen in ihrer Funktion zwingend erhalten werden, um Wanderungen bzw. genetischen Austausch zwischen Individuen nicht zu behindern. Lebensraumkorridore/Achsen des Biotopverbunds sowie deren Funktion sind bundesweit, landesweit und regional zu ermitteln (vgl. die vom BfN veröffentlichten Verbundachsen für waldgebundene Großsäuger oder den Generalwildwegeplan Baden-Württembergs) und zu sichern. Wildtierwege/Fernwechsel müssen auf einer Breite von mindestens 300 m von PV-FFA freigehalten werden. Große Solarparks sollten mindestens alle 500 m von ca. 50 - 60 m breiten Querungskorridoren mit Gehölzbestand durchzogen werden und sie dürfen nicht als Wander-, Reit- und/oder Fahrradweg genutzt werden.
Ist eine Zäunung der Anlagen unvermeidbar, so muss diese zumindest für kleinere Wildtierarten durchlässig sein (ca. 20 cm Mindestabstand zum Boden oder Integration von Wildtierdurchlässen), um die Fläche nicht als Nahrungsquelle oder Rückzugsgebiet zu verlieren. Die Verwendung von Stacheldraht ist zu vermeiden. Wo immer möglich sollten die Jagdausübungsberechtigten aus Gründen der Niederwildhege Einrichtungen zum Fang von Prädatoren in unmittelbarer Nähe der PV-FFA betreuen.
- Mit sinnvoller Planung zu mehr Biodiversität
Die überbaute Gesamtfläche des Solarparks sollte 70 Prozent (Grundflächenzahl, GRZ 0,7) nicht übersteigen. Hinsichtlich Form, Farbe und reflektierender Eigenschaften sind die Anlagen bestmöglich in das Landschaftsbild einzubinden, was sich zumeist auch positiv auf die Akzeptanz der Bevölkerung auswirkt. Wichtig ist ein ausreichender Abstand zwischen den Modulreihen (mindestens 3 m). Die Arbeitsbreite landwirtschaftlicher Maschinen, die im Rahmen der Flächenpflege zum Einsatz kommen, ist zu bedenken.
Durch eine naturschutzfachlich sinnvolle Gestaltung können PV-FFA zur Sicherung der Biologischen Vielfalt in der Kulturlandschaft beitragen. Dies gelingt z.B. durch die Einfriedung mittels standortgerechter Niederhecken, die Förderung eines artenreichen Unterwuchses, die Anlage von Feuchtbiotopen mit Freiwasserzone oder Refugien für Reptilien, Vögel und Insekten (durch Lesesteinhaufen, Nisthilfen, Käferbänke, etc.). Zudem sollte der Ausgleich des Eingriffs entweder auf der Fläche selber oder im unmittelbaren Umfeld stattfinden, z.B. durch zusätzliche Strukturen oder mehrjährige Blühbrachen, um die Funktionalität der Maßnahmen im Solarpark zu gewährleisten. Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität, der ökologischen Umfeldgestaltung sowie ein Pflegekonzept (u.a. Vermeidung von Stoffeinträgen, standortangepasstes Mahd- oder Beweidungsmanagement) müssen verbindlich in die Plangenehmigung aufgenommen werden. Vor Ort sollte die wildtierfreundliche Gestaltung der Anlage in Zusammenarbeit mit den Jagdausübungsberechtigten erfolgen.
- Ökologische Begleitforschung
Die Möglichkeiten der ökologischen Aufwertung von Flächen durch Solarparks sind vielfältig, bislang liegen aber kaum wissenschaftliche Erkenntnisse darüber vor. So besteht insbesondere Forschungsbedarf zum Meideverhalten bestimmter Arten (z.B. Bodenbrüter) oder zur Entwicklung von Bodenorganismen unter Solarmodulen. Dies gilt vor allem auch für Auswirkungen von Agri-PV-Anlagen auf abiotische Faktoren bzw. Belange von Naturschutz und Landschaftspflege. Daher empfiehlt der DJV die Begleitung einiger dieser Projekte durch wissenschaftliche Einrichtungen, um durch zusätzliche Expertisen mehr Handlungssicherheit zu erlangen.
Photovoltaik-Anlagen auf Gewässern, sog. Floating-PV-Anlagen, eignen sich aufgrund konkurrierender Interessen und Schutzgüter in erster Linie für stehende, künstliche Gewässer, wie in Auskiesung befindliche Baggerseen. Da mit ihnen bislang weder wasserwirtschaftliche oder gewässerökologische noch naturschutzfachliche Erfahrungen (insbesondere Auswirkungen auf Rast- und Zugverhalten von Vögeln, siehe „Lake-Effekte“) gesammelt werden konnten, lehnt der DJV die Errichtung derartiger Anlagen zurzeit ab.
- Bejagung der Reviere erhalten
Durch die Errichtung von PV-FFA muss eine ordnungsgemäße, auch der Landeskultur dienende Bejagung der Reviere, möglich bleiben. Deshalb sind entsprechende Abstände von PV-FFA vom Waldrand einzuhalten und Wechselmöglichkeiten für Wildtiere zu erhalten. Eine durch den Bau der PV-FFA potentiell erhebliche Minderung des Jagdwertes und die erschwerte Bejagbarkeit der Flächen, müssen in angemessener Weise ausgeglichen werden.
Wernigerode, DJV-Präsidium, 23. Juni 2022