Artenvielfalt durch Barrieren wie Straßen bedroht
Im Vorfeld der Süddeutschen Rotwildtagung in Isny fordert der Deutsche Jagdverband (DJV) langfristig den Bau von 10 Querungshilfen wie Grünbrücken pro Jahr über bestehende Verkehrswege. Europas dichtestes Straßennetz gefährdet akut die biologische Vielfalt, da viele Tiere nicht mehr ausreichend wandern können. Beim Rothirsch, dem größten heimischen Landsäuger, kommt es deshalb bereits jetzt zu genetischer Verarmung, Inzucht und Missbildungen wie verkürzten Unterkiefern. Der Dachverband der Jäger begrüßt zwar, dass über das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz bundesweit Querungshilfen entstehen sollen – allerdings nur "modellhaft" bis 2026, wie im aktuellen Entwurf zu lesen ist.
"Wir fordern die Bundesregierung auf, in den jetzt anstehenden Beratungen ein klares Signal für den Biotopverbund zu setzen", sagte DJV-Präsidiumsmitglied Dr. Jörg Friedmann. Um Arten zu erhalten, müsse der Genfluss funktionieren, dafür müssten Tiere sich frei bewegen können. Das seit 2012 bestehende Bundesprogramm Wiedervernetzung muss künftig eine wirkliche Stärkung erfahren, fordert der DJV. Es braucht dazu auch eine eindeutige Zielsetzung im 4 Milliarden schweren Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz. So lassen sich Planung und Umsetzung von Querungshilfen in den Ländern beschleunigen und der gesetzlich vorgeschriebene Biotopverbund voranbringen.
Verkehrswege sind Barrieren, die selbst große Säugetiere daran hindern, entfernte Artgenossen für die Fortpflanzung zu finden, abzulesen an der Zahl der Wildunfälle: Alle zweieinhalb Minuten stirbt ein Reh, Wildschwein oder Hirsch auf deutschen Straßen. Weniger offensichtlich sind die Auswirkungen auf die genetische Fitness. Forscherinnen und Forscher an der Universität Göttingen haben im vergangenen Jahr die genetische Vielfalt von 34 Rothirsch-Vorkommen in Deutschland untersucht und über 1.000 Proben ausgewertet. Der DJV hat die Studie unterstützt. Die ermittelten Inzuchtwerte waren oftmals so hoch wie bei Verpaarungen zwischen Halbgeschwistern oder Eltern und Kindern. Nur zwei Vorkommen erreichten eine genetisch-effektive Populationsgröße von mehr als 500 Tieren, die langfristig vor Inzucht schützt.
Als Hauptursachen für die fehlende Vernetzung von Rothirsch-Vorkommen haben die Wissenschaftler Straßen, Siedlungen und behördlich verordnete rotwildfreie Gebiete ausgemacht. Studien der Universität Gießen aus Hessen und Nordrhein-Westfalen stützen die Erkenntnisse.