(Quelle: Kauer/DJV)

Windenergienutzung im Wald

5. Oktober 2022 (DJV) Fulda

Die Energiewende ist grundsätzlich im Interesse aller Umwelt- und Naturschutzverbände. Eine ungelenkte Errichtung von Windenergieanlagen (WEA) im Wald wird aus Jagd- und Naturschutzsicht allerdings mit großer Sorge betrachtet.

Windenergieanlagen können für Vögel eine Gefahr darstellen
Windenergieanlagen können für Vögel eine Gefahr darstellen (Quelle: Martinsohn/DJV)

Anfang Juli 2022 hat der Bundestag das sogenannte Osterpaket, bestehend aus verschiedenen Gesetzen zum beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien, verabschiedet. Damit soll deren Anteil an der Stromversorgung bis 2030 auf 80 % steigen. Zum Paket gehören u.a. das Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG), das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land sowie eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes.
Das gesamte parlamentarische Verfahren wurde unter enormen Zeitdruck durchgesetzt, einzelne Naturschutzverbände nicht angehört, der Arten- und Biotopschutz dabei vielfach dem überragenden öffentlichen Interesse und der öffentlichen Sicherheit untergeordnet und dadurch deutlich geschwächt. So wurden u.a. Landschaftsschutzgebiete für die Suche nach Flächen für Windenergieanlagen (WEA) geöffnet; die als „abschließend“ bezeichnete Liste von nur noch 15 planungsrelevanten, kollisionsgefährdeten Vogelarten dürfte sogar europarechtswidrig sein; artspezifische Abstandsvorgaben von WEA zu Brutplätzen bzw. Horstbäumen streng geschützter Vogelarten bleiben hinter fachwissenschaftlichen Empfehlungen wie dem „Helgoländer Papier“ und bestehenden Länderregelungen zurück (besonders deutlich bei Schreiadler und den drei Weihenarten). Auch spielen bei der Beurteilung von Windeignungsflächen der Erhalt von Migrationskorridoren bzw. Verbundachsen von Großsäugern kaum keine Rolle. Eine Unterscheidung zwischen WEA im Offenland oder im Wald wird in den Gesetzen nicht getroffen, wenngleich die Windenergienutzung im Wald gesellschaftlich besonders kontrovers diskutiert wird.

Die Energiewende ist grundsätzlich im Interesse der Umwelt- und Naturschutzverbände, dies darf allerdings nicht zu Lasten des Natur- und Artenschutzes geschehen. Eine beschleunigte, ungelenkte Errichtung von WEA im Wald jedoch, die insbesondere durch die Ausweitung der Infrastruktur zu weiterem Habitatverlust, Zerschneidung und funktionalen Beeinträchtigungen des Lebensraumes Wald führt, wird auch vor dem Hintergrund o.g. Rechtsunsicherheiten von der Jägerschaft mit großer Sorge betrachtet. So stellt der Wald für einige gefährdete Arten einen Großteil, wenn nicht sogar ihr gesamtes Habitat dar (u.a. Schwarzstorch, Wespenbussard, Luchs, Wildkatze).
Um die Energiewende in Deutschland sicher zu stellen, werden voraussichtlich auch Waldstandorte benötigt, dies sollte aber sehr restriktiv gehandhabt werden. Vor allem die Zuwegung zu WEA muss naturschutzkonform oder -fördernd erfolgen bzw. ausgeglichen werden, störungsempfindliche Arten dürfen nicht beeinträchtigt werden (z.B. Sperrung für Publikumsverkehr, Verhinderung unbefugten Befahrens). Dazu sollten sowohl Gestaltungsprinzipien wie auch Leitlinien entwickelt werden, an denen sich die Genehmigungsbehörden orientieren können.
Insofern kommt den Ländern nun eine große Verantwortung zu, durch eine naturverträgliche Flächenauswahl unter Freihalten sensibler Naturräume, guter Planung, Berücksichtigung neuester Untersuchungs- und Bewertungsverfahren sowie umfassender Nutzung technischer Präventivmaßnahmen Konflikte zwischen Windenergie und Naturschutz so gering wie möglich ausfallen zu lassen.

Bei der Errichtung von WEA im Wald müssen aus Sicht des DJV die folgenden Kriterien beachtet werden:

  1. Entscheidendes Kriterium für den Bau von WEA im Wald ist die Eignung des Standortes. Hier ist die Windhöffigkeit von besonderer Bedeutung. Um die Eingriffe in den Wald und damit in die natürlichen Lebensräume der waldgebundenen Tierarten zu minimieren, sollten die Flächen mit der besten Windhöffigkeit und den geringsten Konflikten mit dem Natur- und Artenschutz als Vorrangflächen planerisch im Rahmen der Regionalplanungen eingestuft werden. An diesen Standorten sind die WEA zu konzentrieren. Hierbei ist dem Bau hoher, maximal leistungsfähiger Anlagen, der Vorzug vor mehreren kleinen Anlagen zu geben.
    Ausschlussgebiete für WEA sollten Naturschutzgebiete, Nationalparks und Nationale Naturmonumente, Kernzonen von Biosphärenreservaten, geschützte Biotope, sowie die FFH- und Vogelschutzgebiete des europäischen Netzwerks Natura 2000 sein.

    Intakte Wälder sind naturschutzfachlich oft wertvolle Ökosysteme, die einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, zur CO2-Speicherung, zum Wasserhaushalt sowie zum Erhalt der Biodiversität leisten. Dennoch sind Wälder von unterschiedlichem ökologischem Wert. So sollten alte und artenreiche Laubund Mischwälder oder solche mit einem hohen Anteil an Höhlenbäumen von der Windenergienutzung ausgeschlossen werden. In Betracht kommen dagegen insbesondere naturferne Nadelholzbestände. Die Eignung von Kalamitätsflächen (Vorschädigung durch u.a. Sturm oder Borkenkäfer) für WEA ist eine Frage des Einzelfalls und sehr sorgfältig mit den Zielen eines nachhaltigen Waldumbaus abzuwägen. Gerade die jungen Sukzessionsstadien von Wäldern sind für viele Vogelarten von größter Bedeutung (u. a. Birkhuhn oder Waldschnepfe).

     
  2. Insgesamt sind die Beeinträchtigungen durch den Bau von WEA im Wald so weit wie möglich zu minimieren (Vermeidungsgebot), z.B. durch eine geringe Flächeninanspruchnahme für den Bauplatz der Anlage selber wie auch für die Zuwegung, die Lagerflächen und die Einspeisungsknoten. WEA sollten vorrangig in der Nähe bereits vorbelasteter Bereiche, wie Straßen, errichtet werden, dies für Tiere und Pflanzen in störungsarmen Zeiträumen. Die an den Wald grenzenden Säume der Anlagen und Zuwegungen sind nach guter forstlicher Praxis so zu gestalten und dauerhaft zu pflegen, dass sie ein Höchstmaß an ökologischem Wert aufweisen. Durch notwendige Versiegelung abfließendes Oberflächenwasser sollte möglichst so geleitet werden, dass es im Wald verbleibt.
    Auf den Bau von WEA an Engstellen von Wildtierkorridoren und Vernetzungssträngen / Biotopverbundplanungen sowie im Umfeld von Querungshilfen an Verkehrswegen ist zu verzichten. Nach dem Stand der Wissenschaft sind alle bestehenden und künftigen WEA mit temporären Abschaltungen und Warnmechanismen (Antikollisionsschutz) auszurüsten, die Greif- und Zugvögel sowie Fledermäuse schonen. Unabdingbar ist der Verzicht auf die Errichtung von WEA im Bereich von Reproduktions- und Rastvorkommen oder Quartieren störungssensibler Tierarten (z.B. Luchs, Wildkatze, Fledermäuse, Raufußhühner, Seeadler, Schreiadler, Rotmilan, Uhu, Schwarzstorch, Waldschnepfe). Für viele dieser Arten hat der Wald einen ganz besonderen Stellenwert als Lebensstätte oder Rückzugsort.

     
  3. Der DJV fordert eine an modernen Fachstandards ausgerichtete Untersuchungs- und Genehmigungspraxis. Beschleunigte Verfahren dürfen nicht zu Lasten des Artenschutzes, des Biotopverbundes oder der Wildwegeplanungen gehen. In alle Vorhaben sind kompetente Institutionen, Planungsbüros und vor allem auch Wildbiologen hinzuzuziehen und die Empfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (sog. „Helgoländer Papier“, siehe unten) hinsichtlich der Artenauswahl und Abständen zu Brutplätzen sind in vollem Umfang weiterhin zu berücksichtigen. Neue fachliche Kenntnisse sind einzubeziehen.
    Für jede WEA und die damit verbundene Erschließung, Versiegelung und Störung sind Ausgleichsmaßnahmen zum Erhalt der vorkommenden Tierarten und ihrer Lebensräume zu erbringen. Notwendige Ausgleichsmaßnahmen sind im Rahmen der landschaftspflegerischen Begleitplanung ausschließlich für die Neuwaldbegründung bzw. ökologische Aufwertung von Wäldern heranzuziehen.
    Umweltverträglichkeitsgutachten müssen weit mehr als bisher die Auswirkungen auf die Wildtiere berücksichtigen, eine wildbiologische Begleitplanung ist zwingend erforderlich. Auch muss nach der Betriebszeit der vollständige Rückbau der WEA (einschließlich der Erdfundamente) mit seinen Bau- und Betriebsstraßen sowie eine umfassende Rekultivierung des gesamten Areals für jede einzelne WEA sichergestellt sein.

     
  4. Kompensationsmaßnahmen für den Bau von WEA dürfen nicht durch Kompensationszahlungen ersetzt werden. Vielmehr sollten sie in einem engen funktionalen und räumlichen Zusammenhang zum Eingriff stehen. Sie müssen auch die flächige Wirkung von WEA und die zugehörige Infrastruktur berücksichtigen. Nur wenn dies nicht möglich ist, können Realinvestitionen in ökologische Korridore / Wildtierwege / Waldlebensraumnetze erwogen werden. Kompensationsmaßnahmen müssen immer funktional in ein Lebensraumverbundsystem integriert werden. Ziel der Maßnahmen muss dabei auch die Schaffung dauerhaft unzerschnittener Ruhezonen mit Nahrungsflächen für Wildtiere, insbesondere in deren Einstandsgebieten, sein. Wichtig ist also die konsequente Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen im Sinne raumübergreifender Schutzkonzepte für die betroffenen Arten.
    Die beschlossenen und durch das BfN zu entwickelnden Nationalen Artenhilfsprogramme „zum dauerhaften Schutz insbesondere der durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien betroffenen Arten, einschließlich deren Lebensstätten“ scheinen eine fragwürdige Lösung für funktionserhaltende Maßnahmen zu sein. Dies wird erkennbar an den vorgesehenen praktischen Abläufen und der erforderlichen räumlichen Steuerung. Letztlich sollen auch die Anlagenbetreiber zu deren Finanzierung mit beitragen, was keinesfalls zu einem reinen „Ablasshandel“ führen darf. Noch ist unklar, wann die Maßnahmen überhaupt zur Verfügung stehen, welchen notwendigen Umfang sie aufweisen müssen und auf welchen Flächen sie umgesetzt werden können.

     
  5. Die bisherigen Kenntnisse über die Auswirkungen von WEA auf bodenlebende Säugetiere, insbesondere Schalenwild sind noch unzureichend. Störeinflüsse können aus dem Bau, aus dem Betrieb der Anlage oder aus der Nutzung der zugehörigen Infrastruktur entstehen. Sie hängen stark vom Standort im jeweiligen Lebensraum und der Dichte der Anlagen ab. Bisherige Studien und Erfahrungen mit Rotwild deuten darauf hin, dass WEA im Bereich von Wanderkorridoren / Fernwechseln erhebliche störende Auswirkungen haben können. Dies gilt nicht nur für Wald, sondern insbesondere auch für offene Lebensräume.
    Um derartige Wanderhindernisse und eine zusätzliche Zerschneidung von Wildtierlebensräumen und -populationen zu vermeiden, sind vor der Ausweisung von Flächen für die Windenergienutzung in potentiell sensiblen Lebensräumen entsprechende wildbiologische Untersuchungen, ggf. auf Basis einer wildökologischen Raumplanung durchzuführen. So sind speziell die Wirkung der Zuwegung und der Unterhalt der WEA sowie Möglichkeiten zu deren naturverträglicher Gestaltung zu untersuchen. Dabei sind Win-Win-Lösungen anzustreben.

     
  6. Mit der Planung, dem Bau und dem Betrieb von WEA sind durch Voruntersuchungen, Erschließung und Baubetrieb Eingriffe in die Jagdausübung verbunden. Bereits in der Planungsphase kann es durch vorgeschriebene faunistische Erhebungen zur Beeinträchtigung der Jagdausübung kommen. Die anschließende Einschränkung der Jagdausübung durch Beunruhigung des Wildes im Umkreis der Baustelle wird verstärkt durch die Erschließung von Waldbereichen und einer daraus folgenden dauerhaften Beunruhigung durch Betreiber- und Besucherfrequenz. Eine mit dem Bau potentiell erhebliche Minderung des Jagdwertes und die erschwerte Bejagbarkeit, müssen in angemessener Weise ausgeglichen werden.

     
  7. Der fachliche Austausch zwischen allen Betroffenen – also Waldbesitzern, Jagdausübungsberechtigten, Behörden, Naturschutzverbänden und anderen Interessengruppen – ist zu fördern und zu intensivieren. Darüber hinaus sind die in vielen Bundesländern bereits eingesetzten interdisziplinären Arbeitsgruppen mit Vertretern von Planungsträgern zu institutionalisieren.

 

Weiterführende Informationen zum Thema:

Fachagentur Windenergie an Land e.V. (FA Wind), Berlin.
www.fachagentur-windenergie.de/themen/windenergie-im-wald.html

Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW) (2014): Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten. „Helgoländer Papier“, in der Überarbeitung vom 15. April 2015. Ber. Vogelschutz 51: 15-42.
www.vogelschutzwarten.de

Langgemach, T. & T. Dürr (2022): Informationen über Einflüsse der Windenergienutzung auf Vögel. Landesamt für Umwelt Brandenburg, Staatliche Vogelschutzwarte. Fassung vom 17. Juni 2022.
lfu.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/Dokumentation-Voegel-Windkraft.pdf

 

Fulda, DJV-Präsidium, 5. Oktober 2022

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DJV Position Windenergie im Wald

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