Verbot von bleihaltiger Munition nur durch Bundesgesetz
Für einige Verwirrung in der Jägerschaft hat kürzlich ein Brief des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMELV) an die zwei Umweltministerien der Länder Schleswig-Holstein und Sachsen gesorgt. Hintergrund war die Bemühung dieser Länder, die Jagd mit bleihaltiger Büchsenmunition zu verbieten. Der Bund ist überzeugt, dass die Länder durch ein solches Vorgehen ihre Kompetenz überschreiten. Denn eine entsprechende Regelung falle unter das Waffen- und Sprengstoffgesetz – und das ist Bundessache. Wie aber steht es dann um die Staatsforsten? Dürfen die – wie beispielsweise schon in Brandenburg die Regel – die bleifreie Jagd auf ihren Flächen vorschreiben? Muss der Begehungsscheininhaber Folge leisten? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Niederwildjagd an Gewässern mit bleifreien Schroten? Der DJV hat dazu Dr. Axel Heider vom BMELV befragt.
„Erläuterung“ zum Interview mit Dr. Axel Heider (BMELV)
Bund oder Länder: Wer entscheidet nun über das Verbot von bleihaltiger Munition? „Der Bund“, sagt Dr. Axel Heider aus dem Bundeministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) und begründet das damit, dass die Verwendung einer bestimmten Munitionsart zum Waffenrecht gehöre. Und das Waffenrecht darf nur der Bund regeln, es sei denn in einem Bundesgesetz wird es den Ländern für eine bestimmte Frage ausdrücklich erlaubt. Im Jagdrecht können die Länder vom Bundesrecht abweichen, auch das steht im Grundgesetz. Nach Dr. Heider gehört aber das Verbot von bleihaltiger Munition nicht zum Jagdrecht, sondern zum Waffenrecht, selbst wenn es in einem Landesjagdgesetz steht.
Über die sachlichen Verbote im Bundesjagdgesetz (§ 19 Abs. 1) dürfen die Länder – soweit Fragen im Zusammenhang mit Waffen oder Munition betroffen sind – nur hinausgehen, wenn damit dem Tierschutz oder der Waidgerechtigkeit gedient werden soll. Aber darum geht es beim Verbot von bleihaltiger Munition nicht. Deswegen dürften die Länder in dieser Frage nicht selbst entscheiden, sagt Dr. Heider. Aber nicht alle Bundesländer stimmen dieser Auffassung zu.
Beim Verbot der Verwendung von Bleischrot bei der Jagd auf Wasserwild ist es aber anders: Damit sind internationale Abkommen umzusetzen. Das kann der Bund tun, aber die Länder dürfen es auch selbst. Das (landesrechtliche) Verbot, bei der Jagd auf Wasserwild Bleischrot zu verwenden, ist deswegen gültig. Ebenfalls gültig ist die Vorgabe eines Jagdherrn, in seinem Revier nur bleifreie Munition zu verwenden, egal ob es ein Pächter ist, ein privater Eigenjagdbesitzer oder ein Staatsforst. Die Frage, welche Munition verwendet werden sollte, bleibt offen. Noch gibt es nicht in allen Kalibern und Geschosskonstruktionen Munition mit zufriedenstellender Tötungswirkung. Aber das BMELV, die Waffen- und Munitionsindustrie und die betroffenen Verbände arbeiten an einer Lösung um den Bleieintrag durch Munition ins Wildbret zu minimieren.
Interview mit Dr. Axel Heider (BMELV)
DJV: Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) vertritt in einem aktuellen Schreiben an die Landesregierungen in Sachsen und Schleswig-Holstein die Auffassung, dass Länder bleifreie Jagdmunition nicht grundsätzlich verbieten dürfen. Denn dabei ginge es um das Waffenrecht, für das der Bund nach wie vor die alleinige Gesetzgebungskompetenz hat. Das Waffenrecht regelt eindeutig, dass Länder nicht die Herstellung oder den Handel mit konventioneller Jagdmunition verbieten dürfen. Andererseits wurde mit der Föderalismusreform die Länderkompetenz im Jagdrecht gestärkt. Fällt ein mögliches Verbot der Verwendung von bleihaltiger Jagdmunition jetzt in den Bereich des Waffenrechts oder ins Jagdrecht? Welche Konsequenzen ergeben sich Ihrer Meinung nach für die Länder?
Dr. Heider: Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 Grundgesetz (GG) besteht eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Waffen- und das Sprengstoffrecht, die sowohl den Umgang mit Waffen als auch Munition umfasst. Das Waffenrecht wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 im Zuge der Föderalismusreform in die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes überführt und regelt den Umgang mit Waffen oder Munition. Allein schon aus dem Wortlaut, der keinerlei Einschränkungen enthält, folgt eine umfassende Zuständigkeit des Bundes. Aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich außerdem, dass mit der Aufnahme des Kompetenztitels für den Bund die frühere waffenrechtliche Kompetenzaufspaltung zwischen Bund und Ländern beendet und die dringend notwendige einheitliche Gesamtnormierung der Materie ermöglicht werden sollte.
Vor diesem Hintergrund umfasst Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 GG insbesondere sowohl sicherheits- als auch wirtschaftsrechtliche Aspekte des Waffenrechts. Erfasst werden im Einzelnen sämtliche Regelungen, die Produktion, Handel, Vertrieb, Erwerb und Besitz, Mitführung und Verwendung oder den sonstigen Umgang mit der Waffe und ihrer Munition betreffen. Daher besteht aus Sicht des BMELV kein Zweifel daran, dass auch die Bestimmung zur Verwendung von bleifreier Munition oder Bleimunition der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterfällt.
Im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden (Art. 72 Abs. 1 GG). Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für das Waffen- und Munitionsrecht hat und in der praktischen Umsetzung die Bestimmungen/Regelungen in Bezug auf die Verwendung bleihaltiger bzw. bleifreier Munition bei der Jagdausübung aufgrund des Sachzusammenhangs im Bundesjagdgesetz geregelt werden sollten.
Das Jagdwesen unterliegt nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 28 GG der konkurrierenden Gesetzgebung. Für die Verwendung von Munition bei der Jagd liegt damit zwar eine zusätzliche Kompetenz des Bundes vor, die im § 19 Abs. 1 Nr. 2 BJagdG detailliert festlegt, welche Waffenarten bei der Jagd auf welches Wild eingesetzt werden dürfen (Büchsenpatronen, Auftreffenergie, Kaliber). Die Ermächtigung der Länder nach § 19 Abs. 2 BJagdG, hiervon abzuweichen, erstreckt sich aber nur auf Erweiterungen und Einschränkungen der Verbote des Absatzes 1, die sich aus dem Regelungsgegenstand und Schutzzweck des § 19 Abs. 1 Nr. 2 BJagdG ergeben, also nur Abweichungen unter dem Aspekt des Tierschutzes und der Waidgerechtigkeit. Für die Festlegung eines generellen Verbotes bleihaltiger Munition bei der Jagd reicht die Ermächtigungsgrundlage des § 19 Abs. 2 BJagdG nicht aus.
Als Fazit ist festzuhalten, dass ein Verbot von bleihaltiger Munition aus verfassungsrechtlichen Gründen nur durch eine bundesgesetzliche Regelung – und zwar im Rahmen einer Änderung des § 19 des BJagdG – erfolgen kann.
DJV: Welche Reaktion auf Ihr Schreiben haben Sie aus den Ländern bekommen?
Dr. Heider: Schleswig-Holstein hat der Rechtsauffassung des BMELV widersprochen. Neben Schleswig-Holstein haben sechs weitere Bundesländer – was politisch nicht unerwartet kam – auf der Agrarministerkonferenz in Würzburg am 30. August 2013 ihre abweichende Auffassung zu Protokoll gegeben, aber zugleich bekräftigt, dass im Bundesgebiet möglichst einheitliche oder inhaltlich vergleichbare Regelungen zum Jagdrecht gelten sollten.
Das BMELV wird auch weiterhin darum bemüht sein, die laufenden Projekte zum Lebensmittelmonitoring und zur Tötungswirkung entsprechender Kugelmunition zu Ende zu führen. Das vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gemanagte Projekt „Lebensmittelsicherheit von jagdlich gewonnenem Wildbret“ soll voraussichtlich im Frühjahr 2014 abgeschlossen sein. Hier konnte im Jagdjahr 2012/13 die für eine wissenschaftliche Auswertung erforderliche Mindestzahl zu beprobender erlegter Wildkörper noch nicht erreicht werden. Die Ergebnisse eines vom BMELV außerdem unter Beteiligung von Dr. Kneubühl (Bern) beauftragten Gutachtens zur Tötungswirkung von Munition sowie zu künftigen Anforderungen hieran sollen ebenfalls bis zum Frühjahr 2014 zur Evaluierung vorliegen.
DJV: Können Bundesländer in den Staatsforsten die Verwendung bleihaltiger Munition verbieten, wie es ja schon einige Landesforstbetriebe getan haben? Können private Eigenjagdbesitzer bleihaltige Jagdmunition verbieten?
Dr. Heider: Ja, solche Verbote sind Ausfluss des Rechtes der betreffenden Eigentümer – seien es Staatsforsten oder private Eigenjagdbesitzer – auf ihren Flächen die Regeln der Jagdausübung selbst vorgeben zu können, solange sich diese Regeln im Rahmen geltender Gesetze bewegen. Die Verwendung bleifreier Munition ist zwar hinsichtlich der Tötungswirkung Gegenstand von Untersuchungen, sie ist aber rechtlich nach derzeitigen Erkenntnissen nicht zu beanstanden.
DJV: Warum akzeptiert der Bund die Regelungen der Länder zum Verbot von Bleischrot auf Wasserwild, nicht aber die darüber hinausgehenden Regelungen zum generellen Verbot von Bleischrot?
Dr. Heider: Die Bundesländer haben beim seinerzeitigen Verbot von Bleischrot an Gewässern höherrangiges internationales Recht umgesetzt, das gegebenenfalls entgegenstehendem Bundesrecht, auch solchem mit Sperrwirkung gegenüber den Ländern, vorgehen würde. Bei „Bleischrot an Gewässern“ stellt sich die Frage der Kompetenz des Bundes oder der Länder für ein Verbot bleihaltiger Munition also nicht, hier sind beide – Bund und Länder – regelungsbefugt.
Dem gegenüber unterläge ein generelles Verbot von Bleischrot der ausschließlichen Kompetenz des Bundes für Waffenrecht, so dass die Länder eine solche Regelung nicht selbst treffen können.
DJV: Viele Jäger sind jetzt verunsichert, welche Regelung denn nun gilt und wie sie sich verhalten sollen. Müssen Jäger das angeordnete Bleiverbot auf Bewegungsjagden einhalten?
Dr. Heider: Die Verbote der Verwendung von Bleikugelmunition auf Bewegungsjagden in einigen Staatsjagdrevieren sind zivilrechtlicher Art. Wer an solchen Staatsjagden teilnimmt, verpflichtet sich zur Einhaltung der vom Eigentümer vorgegebenen Regeln. Die Staatsjagden können – wie dargestellt – solche Regeln aufstellen und auch zivilrechtlich durchsetzen.
Eine andere Frage ist, ob bei einer Zuwiderhandlung gegen diese Regeln eine ordnungsbehördliche Sanktion oder gar Strafe droht. Die Antwort darauf lautet: Nein, eine solche Sanktion droht nicht, da es an einem gesetzlichen Verbot bleihaltiger Munition fehlt.
DJV: Welche Möglichkeiten gibt es für einzelne Jäger, die Klärung offener Fragen zwischen Bund und Ländern zu beschleunigen?
Dr. Heider: Der Bund arbeitet – in Abstimmung mit Ländern und Verbänden – mit Nachdruck daran, die Einführung einer Jagdmunition, die keine schädlichen Bleipartikel ins Wildbret abgibt, voranzubringen. Außerdem gilt es, gemeinsam mit den Ländern flankierende Maßnahmen – wie die Nachrüstung von Schießständen – auf den Weg zu bringen. Darüber hinaus wird der wissensbasierte Entscheidungsfindungsprozess von Bund und Ländern durch eine Selbstverpflichtung der Waffen- und Munitionsindustrie flankiert, wonach das gemeinsame Bestreben, jagdlich gewonnenes Wildbret ohne zusätzliche Belastung durch Jagdbüchsengeschosse zu gewinnen, durch entsprechende Weiterentwicklungen unterstützt wird.
Der einzelne Jäger sollte mit diesem Thema aufgeschlossen und sachlich umgehen. Verwendung bleifreier Munition ist auch derzeit schon möglich, auch wenn die Tötungswirkung noch nicht in allen Kalibern beziehungsweise Geschosskonstruktionen als zufriedenstellend angesehen wird. Die Jäger haben zum Beispiel auf Staatsjagden, auf denen bleifreie Munition vorgeschrieben wird, aber auch beim Ansitz im eigenen Revier die Möglichkeit, sich selbst ein Bild zu machen. Dies scheint mir ein besserer Weg zu sein als in Fundamentalopposition zu bestimmten Geschossmaterialien zu verfallen, sei es in Opposition gegenüber blei oder bleifrei.