Was Jagd wirklich bedeutet
Freunde von mir sind leidenschaftliche Jäger und ihre Erzählungen haben mich schon immer fasziniert. Es hat nicht lange gedauert, bis sie mich das erste mal zum Ansitz mitgenommen haben. Ich durfte erleben, wie es ist sich leise auf einen Hochsitz zu schleichen und genau zu zuhören ob irgendwo in der Nähe ein Zweig knackt oder ein Blatt raschelt. Zum ersten Mal habe ich als Stadtkind Rehe und Wildschweine in Freiheit gesehen und durch ein Fernglas beobachten können. Zum ersten Mal war ich dabei, als ein Stück erlegt und aufgebrochen wurde. Ich habe damals schon viel über Natur, Tiere und die Jagd gelernt - aber das ist es nicht, was meiner Meinung nach Jagd erleben ausmacht.
Richtig erfahren, was Jagd erleben bedeutet habe ich erst im vergangenen Dezember. Meine Freunde luden mich ein, als Treiber bei einer Drückjagd dabei zu sein. Ich habe sofort begeistert zugestimmt, doch bereits morgens am Treffpunkt legte sich meine Euphorie wieder. Zwar wurde ich höflich allen vorgestellt, fühlte mich jedoch als lästiges Anhängsel und Außenseiterin. Vieles von dem, was dort besprochen wurde unter den Jägern verstand ich nicht und so war ich nur ein stiller Beobachter des Geschehens. Als wir in den Wald gingen war dieser plötzlich größer, dunkler und unübersichtlicher, als ich dachte. Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit und ich kam mir doof dabei vor durch den Wald zu gehen und laut 'Hop Hop' zu rufen. Es war mir sogar ein wenig peinlich, schließlich kannte ich viele der Leute in unserer Treiberwehr gar nicht. Und so blieb ich zunächst in meiner Rolle als stiller Beobachter. Ich trottete vorsichtig hinter meinen Freunden her, wenn auch stets froh darüber dabei zu sein und fasziniert von der Natur. Im Laufe des Tages gab es immer wieder Situationen, die dafür gesorgt haben, dass ich mich immer mehr als Teil der Gruppe fühlte. Jedes mal, wenn plötzlich ein Wildschwein davon rannte oder ein Reh aufgeschreckt davon sprang war es wie ein kleines Abenteuer für mich. Genauso jedes mal, wenn ein Schuh im Schlamm stecken blieb, jemand über eine Wurzel fiel oder sich plötzlich in den Schlamm warf um einen Frischling abzufangen. Ich hatte das Gefühl, dass es auch für die Anderen in meiner Gruppe so war, egal ob sie regelmäßig zur Jagd gingen oder nicht. Es waren Erlebnisse, die uns zusammen als Gruppe widerfahren sind und das hat uns ein wenig vertrauter miteinander gemacht.
Das Gefühl des nicht dazugehören verschwand im Laufe des Tages immer mehr und ich begann mich als Teil der Gruppe zu fühlen. Gerade zum Ende der Jagd wurde das Gefühl verstärkt. Wir gingen zum Streckenplatz und ich war überrascht, was sich dort tat. Es wurden Sitzbänke aufgestellt, Feuer gemacht und für Verpflegung gesorgt. In kleinen Grüppchen saßen und standen Leute ums Feuer herum und berichteten vom heutigen Jagderlebnis. Mit einem Teller Suppe und einem Bier in der Hand setze ich mich zu einer Gruppe, die ich nicht kannte. Ich wurde direkt angesprochen und gefragt, ob wir viel gesehen hätten. Ich berichtete von verschiedenen Situationen des Tages und war überrascht, als die Jäger neben mir Verbindungen zu ihren Erlebnissen zogen. Es wurde genau analysiert, bei wem das Wild, was ich gesehen hatte, noch vorbeilief und ob und von welchem Schützen es wohl erlegt wurde. Das war der Moment, in dem ich verstanden habe, was es wirklich heißt Jagd zu erleben. Es bedeutet mehr als nur als stiller Beobachter dabei zu sein - es bedeutet dazugehören. Mittlerweile traute ich mich auch, all die Fragen, die mir seit Stunden im Kopf herumschwirrten zu stellen und bekam begeistert umfassende Antworten aus allen Ecken der Gruppe. Denn neben dem Zusammenhalt heißt Jagd erleben auch lernen. Lernen, über Natur, Tiere und Jagd und lernen, wie es ist, wenn jemand sich für sein Hobby so sehr begeistert, dass es nahezu ansteckend ist. Denn das war es bei mir und deshalb werde ich im kommenden Oktober meinen Jagdschein machen. Lea Mareen Schieleit