Wenn Ameisen mit Sack und Pack umziehen
Heute startet der Film Das Grüne Wunder – Unser Wald in den deutschen Kinos. Jan Haft, der Regisseur des Films und Träger des DJV-Journalistenpreises, zeigt in seinem Film die kleinen und die großen Dramen, die sich täglich in den Wäldern Mitteleuropas abspielen. Er hat Hirschkäfern über das Geweih geschaut und Fuchswelpen in die Augen. Der Deutsche Jagdschutzverband (DJV) hat Jan Haft zu seiner Motivation für diesen Film und seinen Erfahrungen mit Wald und Wild befragt.
Sechs Jahre Drehzeit an 70 Drehorten in den Wäldern Mitteleuropas. Haben Sie ein Lieblingsbild vor Augen oder eine Schlüsselszene, bei der Sie gemerkt haben, dass dieser Film gut wird?
Ja, die Szenen vom Hirschkäfer lagen mir persönlich besonders am Herzen. Die sind in Deutschland relativ selten, so ist unser ganzes Team nach Österreich in das Leithagebirge gefahren. Als wir es tatsächlich geschafft hatten, Hornissen zu filmen, die Hirschkäfer angreifen, weil sie sich um dieselbe Blutungsstelle am Baum quasi prügeln, war uns klar: Wenn wir noch mehr solcher Geschichten kriegen, dann könnte das was werden.
Was war Ihre Motivation für einen Film über den Wald?
Um unserem Motto des Films „Das Unbekannte im Bekannten“ gerecht zu werden, eignet sich kaum etwas besser als der Wald. Wir haben oft die Erfahrung gemacht, wenn wir vom Wald, den jeder vom Pilze sammeln oder spazieren gehen kennt, verrückte Geschichten zeigen, dann erstaunt das die Zuschauer. Da sind Raupen, die Hörner haben und Ameisen von Blättern schubsen mitunter spannender, als das sonderbare Liebesleben der Baumkängurus im Regenwald Neuguineas.
Verbinden Sie persönliche Kindheitserlebnisse mit dem Wald?
Als Kind bin ich nicht als Cowboy und Indianer in den Wald gegangen. Ich habe schon früh beobachtet was auf den Lichtungen passiert. Da schaute ich Rehen zu und auf alten Baumstämmen gab es Schlingnattern, Bergeidechsen und Laufkäfer oder Kaisermantel, die herrlich großen Schmetterlinge, zu sehen.
Welche ist die Kernbotschaft Ihres Films?
Zunächst wollten wir nicht nur niedliche und schöne Naturgeschichten erzählen. Wir wollten auch etwas vermitteln, das uns am Herzen liegt: Dass Deutschland und Mitteleuropa eigentlich voller großer Tiere wären, so wie es andere Kontinente auch sind. Denn: Wir hatten hier vor Jahrtausenden eine Großtier-Fauna, bis der moderne Mensch kam und es vorbei war mit dieser Vielfalt. Wenn man an die großen Naturschutzgebiete denkt, gehören da meiner Meinung nach viele große Tiere rein.
In einem naturnahen Wald spielen große Pflanzenfresser – wie Reh und Hirsch – eine wichtige Rolle. Wie schätzen Sie, aus Ihrer Erfahrung heraus, deren Situation in den deutschen Wäldern ein?
Hier muss ich für mich unterscheiden: Da gibt es einmal den Nutzwald, da kann und will ich mich nicht zu äußern. Aber dem Naturwald – Urwald gibt es ja so ursprünglich in Deutschland nicht mehr – fehlen heute ein bis zwei Dutzend Großtiere. Früher war der Rothirsch einer der Kleinen. Da gab es Elche und Büffel, Esel und Bären, Wisente und Auerochsen. Wären sie heute noch in unserer Natur, würden sie den Wald gewaltig umkrempeln, zum Nutzen vieler anderer Arten. In Schutzgebieten, in denen viele Damhirsche, Muffelwild, Schwarzwild und sogar Sikahirsch vorkommen, haben wir den extremen Fraßdruck dieser Huftiere beobachtet. Gleichzeitig sahen wir überall Mistkäfer herumlaufen. Riesige Dichten an käferfressenden Fledermäusen, seltene Vögel wie Wiedehopf und Blauracke oder Smaragdeidechsen konnten wir beobachten. Die Fraßspuren des Schalenwilds halten den Wald offen und so wimmelt es von anderen Tieren. Davon profitiert die Vielfalt des Waldes.
In vielen Revieren sind große Beutegreifer – wie der Wolf, Luchs oder die Wildkatze – wieder eingewandert. Wie stehen Sie zur Rückkehr dieser Großsäuger?
Da kann ich nur sagen, ich freu’ mich über jede Art, die zurückkehrt und ich freue mich über jedes Tier, das ich im Wald sehen kann.
Gab es Tiere, die Sie unbedingt mit Ihrer Kamera einfangen wollten?
Bei ein paar Szenen waren wir hartnäckig. Einmal sind es die Hirschkäfer – meine Lieblingswaldbewohner. Eine andere Tierart ist der Sperber. Das ist einer der wenigen Vögel, der in dichten, dunklen Wäldern zu Hause ist. Den gibt es überall, aber man sieht ihn eigentlich nie. Ein weiteres Beispiel ist das Lebermoos. Dessen Sporenkapseln wachsen schlangenförmig in die Höhe. Da war uns früh klar, wenn wir den Tanz, denn daran erinnert ihr Wachstum, im Zeitraffer mit Musik unterlegen, dann wird das eine lustige Szene. Jetzt, im fertigen Film, ist das übrigens auch eine meiner Lieblingsszenen.
250 Stunden Filmmaterial – warum haben Sie sich am Ende gerade für die Szenen entschieden, die wir im Film sehen?
Das ist eine Mischung aus unserem Drehbuch und dem Zufall. Wir wollten zwischen großen Perspektiven und kleinen wechseln. Also zwischen dem Erwarteten, den großen Tieren wie Reh und Hirsch, aber auch dem Unbekannten wie Blumen und Pilze. Dann klappt natürlich manches und vieles eben nicht.
Sie filmen auch häufig die vermeintlich „unspektakulären“ Arten – wie Insekten, Käfer oder auch Pilze. Was fasziniert Sie an diesem Mikrokosmos?
Es ist ein sehr weites und unbeackertes Feld, in dem es noch vieles zu erforschen gibt. Beispielsweise weiß man nicht warum die Knotenameisen mit Sack und Pack regelmäßig in Morcheln einziehen. Die Dramen der kleinen Tiere sind genauso spannend wie die der großen. Da kann der Kampf der Hirschkäfer es an Faszination mit der Brunft der Rothirsche durchaus aufnehmen.
Jan Haft und sein Team drehten sechs Jahre lang an 70 Orten. Sie produzierten dabei 250 Stunden Rohmaterial.
Deutscher Jagdverband e. V. (DJV)
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