Zahl der Jägerinnen in Deutschland rasant gestiegen
Friederike Meyer geht am Morgen mit dem Gewehr über der Schulter aus dem Haus. Die 23-Jährige hat es nicht weit, sie braucht kein Auto. Der umliegende Wald gehört ihrer Familie, seit vielen Generationen schon. Eine kleine Allee mit Kopfsteinpflaster führt durch den Buchenwald zu dem Gutshof bei Natendorf südlich von Lüneburg, eine kleine Zeitreise, so scheint es, mit Efeu und Fachwerk, nur die Kutsche fehlt. Die zierliche Studentin ist auf der Jagd an diesem kalten Wintertag. Wie sie machen seit Jahren immer mehr junge Frauen den Jagdschein und ziehen los - warum eigentlich?
«Mich hat das Wissen und die Jagd gleichermaßen gelockt», sagt die Jungjägerin. So werden die Jägerinnen in den ersten drei Jahren nach der nicht eben einfachen Prüfung genannt, wenn sie denn bestanden haben. Meyer hat im vergangenen Mai das «Grüne Abitur» gemacht. «Eine große Rolle spielt die Natur. Ich kannte so wenig Bäume und so wenig Tiere», erklärt sie, während es durch den Wald zum nächsten Hochsitz geht.
«So finde ich den direkten Weg zur Natur. » Auch die Tradition habe eine Rolle gespielt, sagt Friederike Meyer. «Mein Vater ist auch Jäger, ich bin schon damit groß geworden», berichtet sie. «Der Auslöser war mein Freund - er hat den Jagdschein gemacht. Da bin ich auch eingestiegen. » Eine wichtige Rolle spiele zudem das Wildbret. «Wir kochen gemeinsam. Man merkt, dass das hochwertiges Fleisch ist. » Die «rote Arbeit», also das Zerteilen des erlegten Wildes, fällt Friederike Meyer nicht schwer. «Schon durch das Studium habe ich weniger Berührungsängste», sagt die junge Frau - sie studiert Medizin im 9. Semester. Auch schießen kann sie mit ruhiger Hand: «Ich habe gleich beim ersten Versuch fünf Mal die Zehn getroffen - die Männer waren nicht begeistert. » Lange war die Jagd eine Männerdomäne, doch das hat sich gründlich geändert.
«Der Anteil der Jägerinnen steigt stetig an», sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband (DJV) in Berlin. «Vor 25 Jahren waren nur ein Prozent der Jagdscheininhaber Frauen, heute sind es sieben Prozent der bundesweit rund 384 000 Jagdscheininhaber - und in den vom DJV befragten Jägerkursen waren es bereits 24 Prozent. » Auch über die Motive der angehenden Jungjäger kann Reinwald Auskunft geben. «Beide Geschlechter geben als Hauptmotiv an, gerne in der Natur zu sein», fasst er die Ergebnisse einer DJV-Umfrage zusammen. Das gelte für 78 Prozent der Männer und 77 Prozent der Frauen. «Dann kommt der angewandte Naturschutz auf Platz Zwei. » Das hätten 55 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen angegeben.
So pflegen die Jäger Nistkästen, sie legen Hecken und Blühstreifen an. Auch schlichte Freude an der Jagd sei ein wichtiger Grund. Doch die Motive sind bei Männern und Frauen nicht ganz gleich, weiß Reinwald. «Da gibt es einen entscheidenden Unterschied», sagt er. «Auf Platz Fünf kommen bei den Frauen mit 36 Prozent die Jagdhunde. » Mehr als jede dritte Frau in einem Jagdkurs gebe an, den Schein für die Ausbildung eines Jagdhundes zu machen. «Bei den Männern sind das nur 12 Prozent. » Und: «Für Männer steht die Geselligkeit bei der Jagd weiter im Vordergrund. »
Für manch einen ist der Jagdschein beruflich wichtig, so für angehende Land- und Forstwirte. Auch Familientradition und Interesse an Waffen sind Argumente, die bei der im vergangenen Jahr vorgelegten Studie angegeben wurden. Befragt wurden insgesamt knapp 2400 Teilnehmer von Jagdkursen. «Bei Frauen liegt Wildbret auf Platz drei, bei Männern erst auf Platz vier», erklärt Reinwald. Das Fleisch ist ein ganz wichtiger Faktor auch für Alena Steinbach.Die 29-Jährige beschreibt sich als leidenschaftliche Jägerin und hat ihr Hobby zum Beruf gemacht. Sie gibt das Online-Magazin «Wir jagen» heraus, ist Hundeführerin und hat im Oktober ein Kochbuch mit dem Titel «Wild kochen» veröffentlicht. «Ich bin fünf Jahre Vegetarierin gewesen. Dann habe ich überlegt, wie ich auf ethisch vertretbare Weise an Fleisch komme», sagt Steinbach. «Ich komme aus einer Jägerfamilie, da kam ich zur Jagd. » «Besonders wichtig war mir, dass die Tiere frei leben und nicht in Ställen eingesperrt sind», sagt Steinbach.
Sie hat Umweltmanagement studiert und ihre Bachelorarbeit über Wildbret geschrieben. «Das Wildbret ist nachhaltig und auf natürliche Weise nachwachsend», betont sie. «Außerdem kann man sich sein Fleisch kaum auf klimaneutralerem Weg verschaffen. » Und ausgesprochen lecker sei es auch noch. Friederike Meyer sitzt unterdessen auf ihrem Hochsitz zwischen einem abgeernteten Kartoffelacker und einer heute ungenutzten Pferdeweide, an deren Rand alte Eichen stehen. Die Vogelrufe und andere Naturgeräusche scheinen ganz langsam lauter zu werden, während in Wirklichkeit nur das sonst vom Alltagslärm geplagte Ohr aufmerksamer zuhört. «Diese Momente der Ruhe möchte ich nicht missen», sagt sie.