„Wer einen Jagdhund verteidigt, kann das ohne Angst vor Strafverfolgung tun“
Weil er einen Jagdhund angriff, hat ein niederländischer Jäger Anfang des Jahres 2019 einen Wolf getötet. Die Staatsanwaltschaft sah eine Straftat und erhob Anklage. Rechtsanwalt Dr. Heiko Granzin ist Experte für Jagdrecht, Fachanwalt für Strafrecht und Agrarrecht. Er hat den Jäger vor Gericht verteidigt und einen Freispruch erwirkt. Was das Urteil nun für Jäger, Haus- und Nutztierhalter bedeutet, berichtet er im DJV-Interview.
DJV: Das Amtsgericht in Potsdam hat einen Jäger freigesprochen, der einen Wolf getötet hat. Letzterer ließ sich zuvor nicht davon abbringen, Jagdhunde zu attackieren. Was bedeutet das Urteil für Jäger und insbesondere Hundeführer?
Dr. Heiko Granzin: Das Urteil gibt uns eine klare Antwort. Wer einen Jagdhund verteidigen muss, kann das ohne Angst vor Strafverfolgung tun. Zudem ist das in Wolfschutzkreisen verbreitete Ammenmärchen, dass in „Wolfsgebieten“ die Jagd mit Hunden zu unterlassen sei, oder die Hunde eben nötigenfalls geopfert werden müssten, eindrucksvoll widerlegt. Die Versuche, die Jagd als Ganzes über den Umweg des Wolfschutz abzuschaffen oder zumindest drastisch zu erschweren, sind nun endlich auch amtlich bestätigt Geschichte.
Stichwort Rechtsgüterabwägung: Wie ordnen Sie das Urteil ein?
Bei Wolfsangriffen auf Tiere stehen sich vereinfacht gesagt Sache gegen Sache gegenüber. Vom Grunde her also „unentschieden“. Allerdings wird der Wolf durch das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt, während ein Haus- oder Nutztier rechtlich nur durch das Eigentumsrecht abgesichert ist. Das Urteil bestätigt nun eine Auffassung, die unter Fachjuristen seit Jahren für selbstverständlich erachtet wurde, die interessierte Kreise allerdings vehement ablehnten. Wenn von einer Sache, hier also einem Wolf, eine Gefahr ausgeht, spielt der höhere Schutzstatus zu seinen Gunsten eine untergeordnete Rolle. Etwas vermenschlicht ausgedrückt kann man sagen: Auf die Interessen eines Aggressors muss der Verteidiger wenig Rücksicht nehmen.
Es gibt immer mehr Wölfe in Deutschland und damit auch mehr Nahbegegnungen. Es liegt nahe, dass irgendwann wieder ein Jäger einen Wolf tötet, der trotz Rufen und Warnschuss Jagdhunde angreift: Welchen Wert hat dann das Potsdamer Urteil?
Der freigesprochene niederländische Weidmann hat nicht seinen Hund, sondern einen fremden Drahthaar gerettet. Eine besondere Nähebeziehung vom Hundehalter zum Tier setzte das Gericht für die Rechtfertigung des Handelns nicht voraus. Das Gericht hat sich auch in keiner Weise dafür interessiert, ob der angegriffene Hund besonders gut ausgebildet und wertvoll war, oder ob er überhaupt jagdlich geprüft war. Aus dem Urteil kann insoweit abgelesen werden, dass eben nicht nur der eigene Hund, sondern auch die Hunde anderer Menschen, gleich ob Jäger oder Nichtjäger, geschützt werden dürfen. Für alle diejenigen, die bei Bewegungsjagden ihren Hund schnallen, ist dies eine beruhigende Nachricht.
Welche Signalwirkung hat das Urteil für Besitzer von Pferden, Schafen oder anderen Nutztieren, die vom Wolf angegriffen werden?
Ein Hund hat rechtlich keinen anderen Stellenwert, als jedes andere Haus- oder Nutztier. Die aus dem Verfahren gezogenen Lehren können also „1:1“ auf Wolfsattacken umgelegt werden. Angesichts steigender Zahlen von Nutztierrissen ist dies eine wichtige Erkenntnis. Nicht nur, wer selber ein Tier hält, darf dieses – nötigenfalls eben auch unter Tötung eines Wolfes – schützen. Auch ein Dritter, der Zeuge eines Wolfsangriffes auf Haus- oder Nutztiere wird, darf dem Opfer im Wege der Nothilfe zur Seite stehen. Anders wird man das allerdings sehen müssen, wenn zum dem angegriffenen Tier weder eine besondere emotionale Bindung besteht, noch ein hoher wirtschaftlicher Schaden droht. Wer Zeuge wird, wie der Wolf sich eines von ein paar Dutzend Hühnern oder eine zugelaufene namenlose Katze schnappt, wird nicht auf das Verständnis des Gerichtes hoffen können, wenn er dann zur Büchse greift.